Andreas H. Drescher
Gleich nach der Mittagspause sprang ich in die Luft
und fand dort ein paar Kleinigkeiten durcheinander
Vor allem der Filz der Schleierwolken machte mir zu schaffen
Sie wollten einfach nicht als Decke halten
Kaum war ich ein wenig eingenickt
als mich der Nordost schon wieder beinfrei blies
Ich klemmte mir also die Centauri unters Augenlid
und beschloss von jetzt an ausgeruht zu sein
3. Mai 2016 07:05
Björn Kiehne
Möwen kreisen über deinem Haus
als du geboren wirst,
schreien vor Unruhe und Hunger,
hacken dir Stücke aus der Seele,
tragen sie über das Meer.
Ich sehe dich groß werden,
zwischen den Bombennächten,
als der Himmel blutet
und die Bienen
am nächsten Morgen,
in der Linde vor dem Haus,
summen wie immer.
Ich höre deine Mutter sagen,
geh aufs Feld Junge,
les Kartoffeln auf,
die dicken Bauern haben ein paar
auf dem Acker vergessen;
ich spüre deinen Ekel
wegen des Lehmstaubs
zwischen deinen Fingern.
Dieser Staub,
der dich auf die Handelsschule trägt,
Waschmittelvertreter werden lässt,
aus dem du deinen Kindern
ein kuschelweiches Haus baust,
den Kindern,
die du immer sauber wolltest und rein.
Heute,
der Himmel stützt sich müde auf die Felder,
baust du an deinem Boot aus Staub,
baust es, um das Meer zu befahren,
den Wellen zu folgen und
dem Möwenschrei in deinem Herzen.
4. Mai 2016 14:57
Hans Thill
Wo einer, den Bengel in der
Hand, haushoch
abschmiert ins Säuberliche
eines getretenen
Schuhs, ist die Klarheit
schon verkauft.
Aber wo
die kahle Stelle eines
Yogabeins und das Dach
einer Pagode
von unten sichtbar werden,
bediene dich des Rätsels
als sanften Seegang
für Baum, Einbaum,
Unbaum.
Hier findest du fünf
Gramm Stille, hier
wohnt das trübe Auge
in seiner Ali-Höhle,
scheucht
dich in die Falten der
Schrift, Platz zu schaffen
dem Unmöglichen.
für Gregor Laschen zum Geburtstag
4. Mai 2016 15:48
Tobias Schoofs
are you awake · my love?
we have not seen each other
for so long · please send a sign
when you are still awake
I cannot sleep without a bird
singing on my window board
7. Mai 2016 21:42
Christine Kappe
Solange die weggeworfenen Dinge harte Sachen waren, Werkzeuge, Bauelemente, selbst Munition, regten sie nur unseren Verstand an, der fragte: Wozu war das gut? – waren es aber weiche Sachen, in denen sich der menschliche Körper abzeichnete, Schuhe, Betten, dann wussten wir uns nicht mehr zu helfen, wir mussten uns mit ihnen in Beziehung setzen, und letztlich mit den Menschen, die sich darin befunden hatten, und wir merkten, dass sie fehlten, aus einem anderen Grund als dem natürlichen.
(nach dem Besuch der „Rosenbuschverlassenschaften“ von A. und H.J. Breuste in Hannover Ahlem)
8. Mai 2016 18:32
Hendrik Rost
Viele Kilometer entfernt lebt mein Vater.
Er ruht sich aus, nehme ich an.
Entfernt der alte Vater. Er ruht sich aus,
glaube ich. Wovon, das weiß ich nicht.
Sein Herz findet keinen Takt.
Es schlägt und flimmert irgendwie
und sendet kryptische Winke. Es morst
ohne Sinn. Es schlägt und pumpt
sich immer wieder eine Weile
von meinem Leben, wenn ich an ihn denken muss.
Ich will nicht nur wirres Zeug reden:
Auch diesen Moment nimm, nimm,
ohne irgendetwas zu tilgen. Mehr als genug Leben
habe ich bekommen
von dir.
10. Mai 2016 10:12
Karin Fellner
der Regen, hochkonzentriert, tritt auf, tritt Tropfen in dich, eine Art saurer Brause
du siehst Aldi aus, fühlst dich aber Aldebaran
der Regen versammelt den Stamm, Laubbläser, Logos, Warane zum gemeinsamen Stampfen
Ampeln und dich schlägt er ein in fette Amplituden
und stampft sein Regelwerk, der Regen, ins offne Gelass, in deine Omme nämlich, Baffi, Blubbi, Bonje, Nischel, Nüschel
*plmplm*
11. Mai 2016 18:49
Christine Kappe
Manchmal wusste ich nicht, ob eine Sache aus festem oder weichem Material bestand. Aber es war nicht so entscheidend, denn die weichen Dinge wurden auch hart mit der Zeit. Es wurden so viele harte Sachen hergestellt, die nicht verrotteten und so viele Menschen starben, nicht weil sie alt waren, sondern weil jemand in einer Fabrik harte Sachen hergestellt hatte. Das Erstaunliche war die Unerbittlichkeit dieser Vorgänge, nicht das Überleben des Menschen, das Überleben des Menschen war ein Thema für die Gelehrten. Die machen das schon, dachten wir und gingen in die Fabriken, um harte Sachen herzustellen, mit denen die Zeit uns forttrug. Wer das nicht wollte, konnte von einer Brücke springen oder mit dem chinesischen Kaiser essen gehen. Das war nicht tödlich, und billig zudem.
12. Mai 2016 10:49
Andreas H. Drescher
Wer hilft dir diesmal das Meer das
du
zum ersten Mal geatmet hast wie
d
er
zu
er
b
rechen Welche Sonne trocknet dir dies
mal
die Algen aus dem Lächeln unter Arion
W a s h a s t d u h i e r v e r l o r e n
12. Mai 2016 21:55
Christian Lorenz Müller
So optimistisch
äugt nur einer aus Ecken
voll Unrat und Schutt.
Und seine Blätter
sägen sich durch den Asphalt,
schlitzen das Pflaster.
Gelbgrelles Glotzen
wohin man auch geht. Stickstoff-
vergessenes Grün.
Wieder überrascht
er im Salat: Trotz allem
so viel Bitterkeit.
Und ganz am Ende
pusten ihm die Kinder eins,
der Wind fasst den Flaum.
Die Samen sinken
auf den Asphalt, in Ecken
voll Unrat und Schutt.
17. Mai 2016 08:34
Andreas H. Drescher
Krakelnotiz
DieAlteSchrift
Geständnis eines Doppelpunkt Kindkleines(s) Punkt der Liebe Punkt
Gedankenstrich Epunktkleines(s) Abtreibung
Gedankenstrich Epunkt Klammerauf vom Straßenrand Klammerauf
Noch immer GummiKlammeraufschläuche Klammerzu NureineKlammerzu
Motiv Doppelpunkt Anführungszeichen Unleserlich geritzt KeinAnführungszeichen
Unleserlich in Epunkt Unleserlich zu Unleserlich kommt Unleserlich KeinPunkt
Römischdrei
ArabischEins
JUBELNDE STADT Komma SORGENLOS THRONEND
Npunkt Ypunkt Pfeil Krieg Pfeil Fahnen
Gedankenstrich Captain Unleserlichkleines(s) Rückkehr Pfeil Frisör
Pfeil Mutter plus Epunkt Pfeil Vaterkleines(s) Aufforderung
Mutter Komma vom Krieg zu erzählen
Gedankenstrich GroßesS bringt Epunkt vom Tanzen nach Hause Punkt
Gedankenstrich Epunkt Plus GroßesS Doppelpunkt der Hof mit Kind KeinPunkt
20. Mai 2016 05:24
Tobias Schoofs
frauengeschichte milch dämonen die
klitzeklein in dieser küche tanzen
wohlverhüllt die euter und das haar
der unterleib in rot und da was unterm
rock erhitzt auch milch und haube und
die farbe blau und eine kahle weiße
wand im hintergrund das fenster links
verrät dann doch was diese küche ist:
das wieder anders ausstaffierte atelier
mit frau und tanzenden dämonen
21. Mai 2016 13:02
Hendrik Rost
Der Tag räuspert sich
fortwährend, hält
aber keine Rede.
Das Glas, das Glas
ist voller Luft,
ich nehme einen Schluck
aus der Zeitung,
in der ein Fisch
von Meldung zu Meldung
schwimmt. Es grenzt
an Zensur und
Zauberei, Teil
der Lösung zu sein
und Teil des Problems.
Das Wetter von morgen
ist der Katzenzustand
von heute. Für alles
ist der Tag zu haben,
der Tag merkt sich jeden
Hokuspokus.
27. Mai 2016 12:12