Christian Lorenz Müller
„Na also“, sagt sich dieses Gedicht,
„die Jury hat mich ausgewählt, ich wusste es ja,
ich bin besser, poetischer, großartiger,
ab jetzt werden sich alle anderen Texte
meine Verse freiwillig zwischen die Beine legen,
sie werden mich unablässig zitieren,
ausschließlich blonde Metaphern verwenden
und mich in den zweihebigen Jamben
eines Doppelwhoppers preisen,
ich bin republikanisch rot wie eine Cola-Dose,
ich bin das Salz der Erde,
das sich auf den French Fries wiederfindet,
ich allein beschreibe das Lebensgefühl derer,
die sich schon am frühen Morgen mit Fox News
einen Softdrink reinziehen und im Auto
an einem politischen Cholesterinspiegel kollabieren,
der im Obama-Care-Krankenhaus
nicht behandelt werden kann, ich allein
streiche die Fahnenmasten in den Gated Communities
in jungfräulichem Weiß, ich ziehe die Fahne auf,
bestirne, bestreife die Welt, ich verstaue
das Second Amendment in einem Futteral
für Schnellfeuerwaffen, Made in China,
ich allein erschaffe Sätze voll Fentanyl, Xylazin,
ich lasse die Gehirne abheben wie Elons Raketen,
ich bin das Gedicht der Gedichte,
ich bin der ultimative poetische Algorithmus,
ich bringe die Schreibkunst an ihr Ende,
auch hier, im Goldenen Fisch,
poste ich mich für immer oben,
hier ist keine Zeile, ist kein Wort mehr über mir,
nur noch ein Himmel aus Einsen und Nullen,
in dem meine Allmacht wohnt.“
7. November 2024 13:21
Hans Thill
4
Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.
Hier haben wir die Schule der Gehenkten.
Gereift über Bäumen, auf Dächern, zum Glück
für die Strange-Fruit-Company,
und der Schall solls in die Schenke tragen,
Schellen sind dem Richter, wenn er
steinigt, sein Gerät. Schwillt der
Sturm hinterm Rücken einer
geselligen Getsehmaneh?
Nobel gestochen ist der
Reifen die Schale und
der Kern eine Welle nur
noch ohne Gelenk.
9. November 2024 13:18
Mirko Bonné
Scheuerbambler, original
Tabak-Blatt-Bündel, an den
Stielen, mit Draht, zusammen-
gebunden, wurde in Scheunen
zum Trocknen aufgehängt,
aus Ranstadt / Wetterau,
um 1946, guter Zustand.
Tabakschneidebänkchen,
Kurbelvorschub u. 20 cm
langes u. 4 cm breites
Wännchen aus Stahlblech,
8 cm hohe Alufüße, in deren
Flansch lagert die Vorschub-
spindel; Schneidehebel,
Alu, Messerklinge, Stahl,
gewerblich, um 47.
3 lose, filterlose Zigaretten,
Chesterfields, mit Logo,
etwaige Nachfertigungen,
Tabakschneider 1948,
Alu, zeittypische Merkmale
(rauer, löchriger / pickliger
Guss u. Handfeilmarken),
Kurbeln schiebt gepresste
Blätter automatisch vor u.
schneidet ab
Für Jürgen Becker (1932–2024)
*
10. November 2024 15:15
Tihomir Popovic
sie rauchte da noch
im rückspiegel
das auto schneller
als unsere flüsse
und ich denke an sie
hoch über der seestrasse
bei den chansons
mit marillengeschmack
dort wo die halden
wolken werden
12. November 2024 12:03
Hans Thill
5
Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde,
Nix, Stirnband der Dido, freut den Knirps so vehement
wie einen Kunden der betörten Felstaube im Pelz,
wie ein stiller Afro käme sie als Knospe (mit Schürze)
und neben ihr der forsche Voodoo, selber
ein knappes Pflaster, dito, nein, ist
schon zuviel. Wunderknoten
sitz still!
18. November 2024 16:08