Christine Langer

Frankfurter Dom

Die zeitliche Ausdehnung
Meines Körpers
Der atmende Geist im Blut
Ich wandle die Erinnerung
Die Zeit wächst in Glocken-
Blumen Glocken
Sie schwingen
Nehmen mich in sich auf
Ich habe Wolken in mir
Gräserspitzen des Stadtparks
Den Geruch nasser Straßen
Jonglierende Wortkugeln
Meiner Hände
Ich blättere eine Seite
Vor und zurück
Ich kann wählen
Zwischen schwarz rot
Und weiß

12. Mai 2014 22:43










Christine Langer

Frankfurter Regen

Eine Klavierhand spielt den Vorhang
Durchs Fenster
In Wellen wirft sich das Licht
An die Wand
Plötzlich wirfst du mir Stunden zu
In mir doppelt sich die Nacht
Ich bürste mein Haar
Es fällt über deine Schulter
Steigt über die Grenzen des neuen Tags

11. Mai 2014 18:42










Christine Langer

Verweilen

Worte wie Staub
In der Luft
Wenn du sie aussprichst
Wachsen sie mir zu
Wandeln sich zu einem Gewicht:
Gedicht
Der Leichtigkeit

Von Nähe zu sprechen
Bedeutet genau hinzusehen
Zu verweilen in dir in mir
Dem Atem zu folgen
In verborgene Tiefen
Wo das Dunkel die Augen öffnet
Für genaueres Sehen

30. April 2014 11:27










Christine Langer

Orangen

Das Messer teilt eine Orange
Fruchtspritzer hängen in der Luft
Deine Orangenhaut die Poren
Sind Augen die das Fleisch von der Schale
Lösen

22. März 2014 17:02










Christine Langer

Was kommt

Kalenderblatt Februar
Und lockere Wolken
Schieben sich fort

Die Sonne zieht aus
Nackten Zweigen
Offene Blusen

Knopftriebe funkeln
Im Pelz der Kätzchen
Das gelockte Haar

Fällt über die Schulter
Des Buschs

20. Februar 2014 10:05










Christine Langer

Die Straßenlaternen

Der kühle Lufthauch der Hauch
Des kühlen Windes welcher
Durchs gekippte Fenster strömt
Ich atme die stille Dunkelheit
Das beständige Flimmern der Laternen
Wie leicht sich ihr Licht in die Nacht setzt
Und untergeht von Baum zu Baum.

für Mirko Bonné

28. Februar 2010 19:36










Christine Langer

Zum Tod von Michael Hamburger – eine Interpretation eines seiner Gedichte.

Anläßlich seines 80. Geburtstages im Jahr 2004 wurde ein Geburtstagsprojekt verwirklicht – ein Buch, an dessen Übersetzung über vierzig Kollegen mitgewirkt haben. Michael Hamburger, 1924 in Berlin geboren, lebte seit 1933 in Suffolk. Seine Lyrik thematisiert vordergründig eher unscheinbare Wunder des Alltags, sei es das Beobachten von Libellen, Schleiereulen und Mauerschwalben oder die jährliche Ernte von Kürbissen und Pflaumen, deren Blau in Nuancen wahrgenommen wird. Das Betrachten der Wolken gehörte für Michael Hamburger, der es liebte, Bäume selbst zu pflanzen, zum Ritual eines gewöhnlichen Tages, und das Bestaunen selbst wird wie die „erdverhaftete“ Sinnlichkeit zum glückhaften Augenblick. Tiere, verschiedene Arten von Vögeln, das Land und das Wetter, Gewächse und viele Sorten von Blumen finden seine wache Aufmerksamkeit. Michael Hamburgers Kunst ist es, das flüchtig Gesehene zu bebildern, Verborgenes wird ganz unmittelbar entdeckt, die Gedichte wirken mit ihrer Nähe zum Dunklen und Tiefgründigen, zum Tod und zur Vergänglichkeit wahrhaftig.

Schwäne im Winter

Ist ihre lange Zeit als Paar zu Ende gegangen? Getrennt auf Weiden,
Weniger durch unsren Wassergraben als durch selbstgewählten
Abstand,
Gelassenheit, die in unsern Augen Gleichgültigkeit scheint:
Während sie, nicht zusammenkauernd, an niedrigen Kräutern und
Gräsern picken,
Wogt der langsame Hals, als könnte kein Reißzahn, kein Wetter
Auch nur die Seide kräuseln, die er trägt.
Für sie ist das Land eins, den ganzen Lauf des Bächleins entlang;
Fließen, allein beständig, wenn auch jetzt zu schnell,
Angeschwollen durch starke Regenfälle, um ihnen Nahrung zu geben.
Doch müssen ihre Hälse einander nicht begegnen,
Noch Blicke sich treffen, so fest sind sie gepaart.

Aus dem Englischen von Gerhard Falkner

Mit einer grundsätzlichen Frage beginnt dieses Gedicht. Woher kommt der Zweifel, gerade während der kalten Jahreszeit eine gefestigte Bindung in Frage zu stellen? Der angekündigte „Winter“ wird hier weniger als Jahreszeit, sondern eher als innere Verfassung geschildert. Aber ist der „selbstgewählte Abstand“ der beiden Schwäne als Zweifel an ihrer Bindung zu verstehen? Selbstbestimmung: Spielraum der Freiheit; oder sagt die menschliche Moral etwas anderes. Während die „Gelassenheit“, mit der sich jedes der beiden Tiere selbständig ernährt, beim Beobachter angenehme Assoziationen hervorruft, evoziert der Begriff „Gleichgültigkeit“ negative Vorstellungen. Stolz und erhaben wirkt der einzelne Schwan mit seinem langen, weich schimmernden, zierlichen Hals, als würde er mit aller Ruhe und Langsamkeit plötzlichen Bedrohungen trotzen. Allmählich erkennt der Betrachter mit Bewunderung die gelassene Ruhe der beiden Schwäne trotz ihrer äußerlichen Trennung. So leicht vermutet er deren Empfinden, so sorglos und frei im Einklang mit den Gegebenheiten der Natur. Die eigene Wahrnehmung jedoch bleibt subjektiv und an das Ich gebunden. Sie regt dazu an, Erahntes zu formulieren und geistige Parallelen zu finden. Wie erleichternd ist es, am Beispiel der Schwäne zu erkennen, daß die Gewißheit der Nähe des anderen weit hinausreicht – voller Vertrauen.

Michael Hamburger:
Unterhaltung mit der Muse des Alters
Gedichte
Hanser Verlag 2004 (geb., 191 S, EUR 16,90)

4. Februar 2009 21:07










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