Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (100)

22. November 2015, ein Sonntag

23 Uhr. Soeben heimgefahren durch die Stadt und im Auto das seltsame Gefühl gehabt, ich müsse sehr aufpassen, denn sonst geschähe ein Unfall. Vielleicht vor Glück. Vielleicht wegen des Gefühls, der Tag sei zu gut gelaufen.

Dabei war es vorderhand kein besonderer Tag, denn auf dem Aikido-Prüfungslehrgang bin ich ja nicht geprüft worden. Aber ich durfte angreifen, gehörte also zu den Ukes für E. und M., die den 1. Dan machten. Das ist großer Spaß und genau das, was ich mir erträumte, als ich vor fünf Jahren begonnen habe. Dass mein rechtes Knie an seinen Haarriss erinnert, nehme ich hin, solange es nicht bricht. („Wenn es sich biegt, ist es komisch; wenn es bricht, nicht.“ Verbrechen und andere Kleinigkeiten, Woody Allen) Nach dem Lehrgang blieb ich im Dojo, pflegte den Hakama, das kostbare Stück. Entfusselt, geglättet, gefaltet. Las Proust. Wartete auf das Training am gleichen Abend.

Dann in Woody Allens Irrational Man, das war recht hübsch. Es ist kein Großwerk, eine vielleicht sogar etwas boulevardeske Mördergeschichte, aber nett anphilosophiert (Kant gegen Sartre, Rationalismus gegen Existenzialismus, Ethik gegen Ästhetik), mit einem guten Joaquin Phoenix und einer leicht dahinspielenden Musikalität, die mich diese Idee mitdurchspielen ließ – seine Meisterschaft im Kleinen.

Frau S. (…) Es liegt Ironie darin, dass ich mich am attraktivsten derjenigen darstellen kann, auf die ich es nicht angelegt habe. Psychologisch kein Riesenrätsel.

22. November 2016 10:44