Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (116)

18. Dezember 2015, ein Freitag

Gestern erste Anzeichen von Missmut im Beisammensein mit Frau S., und zwar anlässlich unserer gemeinsamen Lektüre von Ovids Metamorphosen. Frau S. kennt sich – sie besuchte ein humanistisches Gymnasium – gut in den Mythologien aus und kehrte das – für mich wohl einen Hauch zu stark – heraus, während ich mich davon – einen Hauch zu stark – beleidigt fühlte. Eine beiderseits verspürte Missstimmung, beidseits von Harmoniesucht getrieben, beide vermutlich Verwundete, die vor Wunden Angst haben.

Hautarzttermin: keine medizinischen Auffälligkeiten. Kosmetisch wäre eine Abtragung herausstakender Leberflecken möglich; aber das kostet 150,- EUR, die keine Krankenkasse übernimmt.

Zufällig habe ich mich nach Jahren einmal wieder an Hegel versucht, an der Phänomenologie des Geistes und dem Kapitel Herr und Knecht. Um zu probieren, ob ich jetzt lesen könne, was ich nie richtig las aber immer gern unter Gelesenem verbucht hätte. Aber wie mich das anstrengt, ihm zu folgen beim Denken über Seyn und Bewusstseyn und Seyn im Anderen, allein die vielen Ypsilons! Ich entschließe mich zum Verständnis, dass man sich selbst im Dialog mit dem Anderen reflektiert, wobei zu bedenken ist, dass dieses Verfahren für beide gilt und diese Selbst-Begegnung also in einem vielfach verwinkelten Spiegelkabinett stattfindet. Aber Hegel meint das offenkundig weit komplexer, und ich begreife, dass ich mein Lebtag zu dusselig für höhere Philosophie bin.

18. Dezember 2016 12:46