Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (127)

11. Januar 2016, ein Montag

Als Kommissar meiner Träume zwinge ich mich zur Niederschrift: Mir träumte sehr deutlich, ich hätte meinem Neffen M. einen Liebesbrief geschrieben, und zwar schon vor zwei Wochen, und nun stünde ich im Vorwurf der Päderastie und Inzest-Absicht (plus Homosexualität), und ich sah nicht, wie ich mich dafür hätte rechtfertigen können. Ich sah mich also von eigener Hand in eine unausweichliche Schuld- und Schamsituation manövriert, und sicherlich auch dadurch stellte sich bald wieder Kopfschmerz ein, weil ein fürchterliches Denken begann, ob ich heil aus dieser Situation herauskommen könnte.

Lausche ich den Träumen nach, bin ich längst heillos verstrickt in schrecklichen Geflechten. Es ist klar, dass ich jetzt, annähernd 50 und im sogenannten ‚Zenit der Lebenskraft‘, in solchen Verstrickungen und Netzen, Spinne und Fliege zugleich, nichts anderes zu erwarten habe, als mich in Grund und Grab zu schämen. Was ist zu tun, wenn ich nicht dauerhaft die Zügel (und Konten) findigen Seelenheilern überlassen will? Ich empfinde dies als absolut kafkaesk.

Ich bewege mich im Spannungsfeld aus Herablassung, Gemeinheit und Verachtung, die in meinem Humor und Sozialverhalten aufblitzen und sich alsbald gegen mich kehren. Allein die Angst davor genügt, die Angst vor mir selbst. Mein Angst wird schwinden, wenn ich sie nicht verbreite. (Ist dies der Entzug nach all den Jahren als Kritiker, in denen ich mein Brot mit Bösartigkeit verdiente?) All diese Dinge sind lächerlich evident, seit vielen Jahren schon. Aber sie hören nicht auf.

Soeben sitze ich am Schreibtisch mit einem Knie-Wickel aus Schwedenkräuter-Essenz, nachdem gestern beim Training (und überdies beim sonst recht erfreulichen Wurf-Training beim Tenchi-Nage) meine Knie satt aufeinander prallten, dass nach schmerzhafter Nacht sofort Sorgen kamen betreffs der Anden-Wanderung im Sommer.

11. Januar 2017 12:48