Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (133)

23. Januar 2016, ein Sonnabend

Überraschend beschissen gestaltete sich das doppelpaarige Abendessen im austrischstämmigen Hause des geliebten Freundes und meisterlichen Charmeurs K. und dessen Gattin, die mutmaßlich nur auf Drängen des geliebten K. eingewilligt hatte, eine Einladung ergehen zu lassen, und nun ihre erschlaffte Tagesrestenergie dafür einsetzte, die Eingeladenen wegzubeißen. Oder hatte sie Vorladung verstanden? Es wurde jedenfalls ein Bewerbungsgespräch, bei dem Randexistenzen wie Frau S. & ich ihre bürgerliche Konformität ausweisen sollten. Mein glücklichster Moment kam, als die Gastgeberin mich fragte, worauf wir Deutschen denn damals bei der Bundeswehr gezielt hätten. Der Gast: „Österreicher.“

Immerhin waren Frau S. und ich, als wir die Treppe beinah kopfüber hinab eilten, überaus einig, so eine Pärchen-Scheiße künftig zu meiden. Später, sehr spät, legte sich Frau S. mit wuchtiger Libido ins Zeug, vielleicht auch in Anbetracht ihrer bevorstehenden neuntägigen Abwesenheit. Wie? dachte ich, jetzt noch Überstunden?

Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent. Wieder so ein Truffaut, der mir abhanden gekommen ist. Früher bettete mich der Film in sentimentale Andacht, gestern legte er sich auf mich wie ein schwerer staubiger Vorhang. Truffaut selbst spricht den Off-Erzähler. Schwermütig getragen wie ein trauriger Arzt. Als hätte er das Buch desinfizieren wollen gegen die mögliche Infektion durch Bilder.

23. Januar 2017 12:19