Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (137)

27. Januar 2016, ein Mittwoch

An der Tram, heute morgen gegen 10 Uhr, plötzlich eine Aufwallung von Glück und Leichtigkeit: keine Geldsorgen derzeit, das Gefühl, der Gesellschaft ein Angebot zu machen, aber nicht angewiesen zu sein auf ihren Zuspruch. Aufzucken von Endlichkeitsempfindung, Dankbarkeit für Zeit. Am Alex angekommen, suchte ich das „Lush“ auf, einen Kosmetikshop, der aus cremiger Scheiße Gold macht und als Badebomben und Schaumbäder verkauft. Vielleicht lebt sich’s darin ganz schön.

Frau Gedeck bekommt ihr Bauchgewölbe nicht in Facon. Ich sah sie in Ich bin dann mal weg. Ich fürchte, die Kostümabteilung hat geleistet, was sie konnte. Die Beleuchter müssen sich geradezu abgerackert haben damit, das Gesicht milde zu stimmen. Striesow war auch schon besser in Form. Die Gemeinheit dieses Films aber sitzt viel tiefer. Er beschämt Menschen wie mich. Er ist Menschen peinlich, die den Jakobsweg wirklich mögen. Das Buch war gedanklich bereits schwellenfrei und ebenerdig, nun stampften sie alle noch mal drauf.

So etwas notiere ich also ins Tagebuch! Gerade bei Formulierungen, die gefällig klingen, klingt umso mehr durch, dass ich immer wieder die Pose eines Tagebuchschreibers einnehme und also nur vorgebe, Tagebuch schreiben (und es, ohne es zu wissen, umso mehr tue, aber anders, als ich denke.)

27. Januar 2017 21:54