Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (2)

1. Juni, ein Montag

Dies ist also nach unzähligen Jahren der erste normale Montag ohne Arbeit, ohne die Filmübersicht, ohne die Ordnung der Papiere, die Anrufe beim Cinemaxx, das Warten auf die Programme und das Erstellen der Einträge. Nicht, dass ich es geliebt hätte. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Es gab doch das Gefühl einer bezahlten Arbeit, also eines Wochenbeginns, der leidlich die Woche finanzieren würde. Das ist nun vorbei, da die Seite zum 1.6. eingestellt wurde, wie mir Ressortleiter Bockemühl Ende April telefonisch mitteilte.

Immerhin aufgewacht neben Kitty. Aber kein Sex. Sehr seltsam. Zunächst bekam Kitty ja gar nicht genug davon. Es wurde ja schon lästig. Immerzu Sex. Wie eine Prüfung. Nun, sehr plötzlich, ist dieser Quell versiegt, und Kitty möchte zunächst ihr Vater-Projektions-Problem lösen. Da findet nun seit Wochen, bestimmt zwei Wochen, nun rein gar nichts mehr statt. Erst zu viel, jetzt zu wenig – und das ist untertrieben. Außerdem ist da dieser erklärte „Kuschel-Freund Armin“, der sie dauernd anklingelt und auf dem Kitty besteht, und ich weiß absolut nicht, ob ich vor diesem Herrn irgendeinen Vorsprung habe und wohin das führen soll, wenn nicht in die allersinnloseste Irre.

Schnell die Hausaufgaben erledigen: Reserviert und klargemacht werden soll die anstehende Juni-Wanderung in der Sächsischen Schweiz mit Klemens, die die gescheiterte Mai-Wanderung mit Kitty kompensieren soll. Ochelbaude reservieren, Villa Anna reservieren. Außerdem: Zahnarzttermin, nachdem ich ja die kürzlichen Termine habe sausen lassen, weil der infragestehende Zahn partout schmerzfrei blieb – eben bis ich den Termin platzen ließ. Am 26.5. wäre der Termin gewesen, am 29.5. meldete sich der Zahn zurück. Nun muss ich bis Juli warten, denn vorher sind keine Termine frei.

Holte Kitty also Frühstück, und sehr artig strichen wir die von Doris zum Geburtstag übereignete Erdbeer-Rhabarber-Marmelade auf die frische Schrippe. Dann ein Paket abholen, ein Geburtstagspaket, das der faule Postbote, statt es im Hause abzuliefern, ins Postzentrum in die Schönhauser Allee spediert hat, was doppelt dumm ist, denn der Weg ist weit, und im Paket ist das Parzinger-Buch von Susanne, das ich mir ja auch gewünscht hatte, allerdings ohne zu wissen, dass Rainer mir es auch schenken würde. Nun brauche ich es nicht mehr, aber ich kann’s nicht zurückgehen lassen, denn im Geschenk steckt auch ein Brief von Susanne. Ich hab’s also doppelt. Und es regnet.

Weil es regnet, fahren wir in den Park und stellen uns unter den Baum, die Eiche, die ich ja in der Geburtstagsnacht auf Anraten Frau Hoppes umarmt hatte – als ich das  am Sonnabend Abend Irina erzählte, bog sie sich krumm vor Lachen. Unter der Eiche wich die etwas gereizte Stimmung zwischen Kitty und mir (sie fragt mich andauernd, was ich denke, und meistens denke ich höchstens Gedankensplitter; aber kaum, dass ich sie dann ausplaudere, macht sich Kitty den allerblödesten Reim darauf und versaut die Stimmung), man lehnte sehr schmieglich traulich, man ging sogar noch ein Eis essen, aber dann ging Kitty doch.

Deshalb dann ja auch kleinlaut in die Wohnung, dumme Emails checken und jene Emails, die die normale montägliche Arbeit betreffen, zuckend weglöschen. Dann zu Bette, gegen 13 Uhr. Schlechte Träume: von einem Räucherstäbchen, das abbricht und von dem ich argwöhne, es werde das Bett entzünden.

13. Juli 2016 13:23