Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (3)

2. Juni, ein Dienstag

Dass der 2.6.2015 ist, ist mir keine Selbstverständlichkeit. Ich habe kalendarisch die Orientierung verloren. Geografisch nicht. Aber ich bin auch die ganze Zeit zuhause. Außer heute morgen. Da war ich beim Bäcker, beim Kiosk mit Post-Shop und auf dem Spielplatz, um zu lesen. Las und schlief. Das leblose Arbeitslosenleben. Ist man offiziell arbeitslos, verkörpert man einen sozialen Mangelzustand. Ein Mensch, dem ein Arm fehlt, ist immerhin ein Einarmiger. Das ist mehr als ein Keinarmiger. Niemand nennt ihn einen Zweiarmlosen.

So eine Zeit verführt dazu, mit dosierter Selbstironie das Dasein als prekärer Geisteswissenschaftler zu beschreiben. Narzisstisches Klagebuchschreiben und dabei Henscheids „Vollidioten“ lesen. Aber da sind ja auch vertretbarere Pläne: in Nordkorea rumwandern; Baumbewohner auf Papua-Neuguinea besuchen, hin zum Titicacasee oder entlang dem Pacific Crest Trail. Läse sich gut in einer Biografie.

Kitty. Wenn ich sie ansimse, was sie so mache, kommt umgehend „Kuscheln“ zurück. Klar geht das – beim Aufwachen liegt oft ihr Smartphone noch in der Hand.

14. Juli 2016 07:56