Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (34/35/36)

20. Juli 2015, ein Montag

Das zwickende rechte Knie mit seinem Haarriss im Miniskus. Nach Aikido-Lehrgang und Wanderung sollte ich ran, so kann das ja nicht bleiben.

Beiße mich durch Wittgensteins Tractatus logico philosophicus, seine sprachkritische Grundlagenarbeit, die die Grenzen des Diskutablen definieren möchte, so weit ich verstehe. Aber ich verstehe nur manches. Mir scheint, hier werde Metasprachliches und Meta-Denkliches ausgeklammert, was immerhin schützt vor haltlosen Spekulationen, aber eigentlich weiß ich, dass ich zu wenig davon verstehe, um mit diesem logischen Geist zu reden.
So viel meine ich zu verstehen: dass Wittgenstein in seinem Rigorismus stur gegen Psychologie und Philosophie und deren Aus- und Höhenflüge angeht, indem er sagt, dass „Werte“ und „Ethik“ und „höherer Sinn“ nicht beantwortet werden können, weil sie nicht Teil der Welt (der Welt der Logik und Elemente, zu der eben auch Sprache und Denken gehören) sind. Damit verbietet sich auch die Frage danach (denn die Frage selbst ist ja Teil der Welt und der Logik und der Elemente). Und das wiederum führt natürlich zu einer gewissermaßen resignativen Begrenzung unserer Zweifel, der ja immer etwas Anmaßend-Höhenfliegerisches hat.
Und leider muss ich dabei abermals bekennen, dass schon die hiesigen und diesseitigen Fragen/Antworten der Logik zu hoch für mich sind. Ich überfliege all die Logarithmen, eigentlich untergrabe ich sie eher, schließe die Augen davor, um sie beim nächstverständlichen Satzes wieder zu öffnen.

All die Bücher, die ich irgendwann einmal unbedingt gelesen haben wollte … Ich lese zu viel. Ein passives Lesen ohne eigenen Schreibimpuls. Bestenfalls wird diese Zeit später als verplemperte Zeit verklärt. Ich hätte Zeit für soziale Arbeiten, aber ich nutze sie nicht. Begonnen mit Dickens‘ Bleak House – sehr vielversprechend.

21. Juli, ein Dienstag

Unterlagen scannen, zur Mieterberatung – ein lähmender Zeitaufwand, und doch: fast befriedigend, aktiv und im Sinne von Zukunft tätig zu sein.

Nach Aikido (übrigens sehr schöne Einheiten mit C.) noch einen William Wyler (Die besten Jahre unseres Lebens) und einen Preminger (Laura) gesehen. Sucht nach Serie und Struktur.

Kitty will und will nicht aus meinem Kopf. Was sie wohl macht ??? Na, was wohl! Bitter, bitter.

22. Juli, ein Mittwoch

Weiter mit Behördenkram: scannen, nochmal scannen, dreimal scannen, von morgens bis zur Mietbewerbung um 15:30 Uhr, weil Fehler unterlaufen und alles fünfmal länger dauert als geplant und nötig. Glück für diejenigen (wie mich), die ja auch sonst nichts Besseres zu tun haben.

Zwischendurch mit Aikidoka R., der hier im Kiez seine exquisiten Scheren feilbietet, einen Kaffee getrunken und gemerkt, dass man mit allen Aikidoka nach kürzester Frist nur über Aikido sprechen kann.

Ex-Freundin M. erscheint nach Jahren (?) auf der Bildfläche, zumindest per sms und am Telefon. Erotische Erinnerungs-Reflexe, gefolgt von ebenso reflexhafter rationaler Zügelung.

Die Ungetreue von Preston Sturges (1948) – der erste wirklich langweilig-blöde Film meiner 40er-Serie, eine Komödie um einen eifersüchtigen Dirigenten mit einem chargierenden Rex Harrison.

4. August 2016 10:28