Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (37/38)

23. Juli 2015, ein Donnerstag

Ruheloses Gehen im Kiez-Karree. Spazieren sollte ich, Glück tanken und mit scharfen Blicken den Passanten ihre Gesichter ablösen, um sie einzukleben ins Album daheim, doch ich erledige lediglich das Pensum, als habe man mir das Gehen verschrieben.

SMS-Verkehr mit Exfreundin M. – wie viele Jahre haben wir uns nicht gesehen – wirklich acht? Wie die wohl aussieht?

Post vom Amt: Verlangt werden Nachreichungen, die meinen Mehrraumbedarf belegen. Erneut unliebsame Befriedigung über behördliche Zumutung, über die ich mich empören könnte und meine Zeit in einen staatsbehördlichen Dienst stellt.

Zahnarzt: Krone zum Dritten. Beim Einsetzen empfindlich. Hoffentlich werden die nächsten Tage gut, sonst sofort wieder hin, bevor man’s nicht wieder loskriegt.

Auf der Rückfahrt vom Aikido erhebt sich dringlich der Wunsch, auf der Jannowitzbrücke in den Sonnenuntergang zu schauen. So tu ich denn, nüchtere aber sofort aus und fahre eilig weiter.

24. Juli, ein Freitag

Gott als blinder Fleck in der Wahrnehmung. Dieser Gedanke erschien mir beim Aufwachen so niederschrifttauglich, während der Niederschrift bereits nicht mehr.

Filmabend der „Japanischen Filmreihe“ mit den Aikidoka: Seom – Die Insel – der schmerzerfüllte Film von Kim Ki Duk. Kaum jemand hält ihn aus, viele machen dem Innendruck Luft und lachen und geben Kommentare, um sich diesen Angriff vom Leib zu halten. Neben mir sitzt Frau S. auf Tuchfühlung, was ich einerseits reizend finde, was ich andererseits aber gar nicht reizend finde. Es wäre absolut idiotisch, in diese Richtung zu liebäugeln.

5. August 2016 14:51