Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (51/52/53)

6. August 2015, ein Donnerstag

Mit dem Gedanken ins Bett zu gehen, dass man Angst vor Angstträumen hat, ist eine ziemlich gute Garantie für eine schlechte Nacht. In den einen Träumen möchte ich nach Krumme Lanke, werde mit dem Auto an einer Gabelung rausgelassen und weiß nicht mehr, wohin. Außerdem kann ich mich nicht gut bewegen. Und wache ich aus dem Traum auf, spüre ich das rechte Knie.

Dieser zweite Fastentag setzt mich völlig matt. Ein hartnäckiger Kopfschmerz, der sich nachts zwischen Nasenwurzel und Stirnhöhle eingenistet hat, geht nicht weg. Erst gegen 17 Uhr wird er schwächer. Fasten versetzt mich spürbar in einen Mangel- und also Krankheitszustand. Das passt zu meiner Situation: Ich mache mich krank. Ich unterlaufe die Ernährungsvorgaben durch zwei Löffel Apfelmus und etwas Saft. Sonst würde ich völlig siechen. Ich werde Aikido schwänzen.

Nachmittags die ganze Zeit im Bett. Zwei Träume: Im ersten lebe ich in einer eher großzügigen Wohnung mit Balkon. Es klingelt. Kitty und – ach, was?! – ihr neuer Freund, der mir irgendwie aus Filmen bekannt vorkommt, stehen vor der Tür. Ich bewirte sie und spiele den Gastgeber, bis mir in einer ruhigen Minute einfällt, dass das dämlich ist und ich mich heimlich aus der Wohnung mache. Im zweiten Traum gerate ich trotz wartender Schlangen und uniformierten Wachdiensten durch einige Schliche in einen Lidl-Supermarkt und fische nach Bananen, die dort auf einem Bord über einem Bett liegen.

Hitzewelle über Berlin. Heute deutlich über 30°C, morgen werden 37°C erwartet. Das ist natürlich totaler Blödsinn, sich bei dieser Hitze auszumergeln.

7. August, ein Freitag

Recht angenehm erwacht. Zwar in einem Traum, in dem ich im Sehnen nach einer Frau das Nachsehen habe, aber das störte nicht allzu sehr.

Das Frühstück nach dem freien Training ist normalerweise ein Fest. Heute sitze ich mit meinem Wässerchen dabei. Für den Rest des Tages Darben und Trinken auf dem Sofa. Dieser dritte Fastentag sieht Darmentleerung vor. Bloß nicht noch einmal diese Entwässerung. Ich werde es mit Kaffee probieren.

Das hat nicht geklappt. Also noch eine Portion Glauber-Salz in banger Erwartung.

9. August, ein Sonntag

Gegen 3:30 Uhr erwacht in der Sommerhitze, schlaflos und müde. Nachgeschaut im Internet: Ricky Gervais hat sich aus seinem facebook-live-Blog verabschiedet, etwas rüde sogar.

Kittys Züge gehen langsam verloren. Die Projektionen, die ich auf sie lud – Kinder, Familie, Zukunft, Lebenssinn, Neuanfang, Allesgut – winden sich um einen Namen, nicht um ein Gesicht oder einen Menschen mit Kontur.

Im Morgenblau nach ersten Tagebucheinträgen friedlich entschlummert, sogar mit Traum von etwas Erotischem und vom Essen eines Brötchens mit belegtem Ei – zuletzt also ein erfüllbarer Traum.

(Fast erfüllbar: Beim Bäcker stellt sich heraus, dass Schnitt-Ei aus ist.) Fasten beendet. Sofort reingehauen. Alles, auch Eis.

Die Morgenlektüre in Bleak House liest sich wie ein Kommentar auf meine Situation im Hause. Bei Dickens rankt sich das Geschehen um die unheilvolle Mühle der Justiz, namentlich im Fall Jarndyce contra Jarndyce, einer Mühle, in die sich der sonst arglose Richard ziehen lässt und in den Sog von Argwohn, Zweifel und sonstiger Zermürbung gerät.

10. August 2016 11:20