Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (6/7)

8. Juni 2015, ein Montag

Zwischenfall beim Aikido-Sesshin am Sonntag. Zusammenprall mit Partner, final gekrönt von seinem gezischelten „Ich schmeiß dich gleich aus dem Fenster, Mann!“ Fluchtartig verließ ich das Dojo, duschte, zog mich um, ging zum Auto, kehrte um (so ein Abgang wäre allzu dumpf), wartete, zitterte, Tränen.

9. Juni, ein Dienstag

Auf dem Polizeirevier, Dienststelle 15, Eberswalder Straße. Wache hält ein rundlicher Polizist, der sich griesgrämig gibt. Ich wolle, gebe ich zart Auskunft, meine Schlüssel abholen, die gestern hier abgegeben worden seien … doch der Amtsträger wischt meine Worte aus der Luft, rudert unwirsch mit den Armen und kommandiert: „Name!“ „Danke für Ihre Freundlichkeit“, entgegne ich artig und benenne mich. Das könne er ja nicht riechen, sagt der Polizist, öffnet, weist an, wo ich zu sitzen habe und verschwindet.

Kehrt zurück. An gespitzten Fingern baumelt das Schlüsselbund, ja, sehr nah lässt er den Bund vor meinem Gesicht pendeln. Aber kaum, dass ich mit „Das ist es!“ danach greife, zieht der raffinierte Mann es auch schon zurück. Den Ausweis! „Na, dann halten Sie mir den Bund doch nicht so hin, wenn Sie ihn gleich wieder zurückziehen!“ Er: Das müsse schließlich mit ordentlichen Dingen zugehen. „Niemand“, pflichte ich kampflustig bei, „hat weniger Interesse als ich, dass Sie Ihre dienstlichen Obliegenheiten vernachlässigen.“ Er kontrolliert fachgerecht, händigt aus und setzt sein Schlusswort: „Und verlieren Sie ihn nicht wieder!“ „Ja, so wollen wir’s halten!“ Verließ ihn vergnügt.

16. Juli 2016 09:34