Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (72/73/74)

5. September 2015, ein Sonnabend

Neues Aikido-Gefühl: so fest eingepackt um die Hüfte, so allseits sichtbar graduiert, so elegant kaschiert. Ich habe das Glück über den Hakama so wenig fassen können, dass ich bis nach halb fünf Uhr morgens nicht habe einschlafen können. Danach träumte ich, ich sei auf einer Party und säße auf einem Stuhl oder Sessel, und eine junge schöne Frau – zwar nicht Kitty, aber wohl ähnlich – setzte sich mir gegenüber auf eine höher gelegene Kante, vielleicht auf ein Fensterbrett, jedenfalls so, dass ihr Fuß zwischen meinen Beinen Platz fand, und, während sie sich unterhielt, ihren Fuß bewegte und eine erquickende Pollution auslöste. Ich erwachte und blickte auf die Uhr. Es war zehn vor fünf, keine fünfzehn Minuten hatte ich geschlafen.

Abends mit Frau S. in Fellinis erster eigener Regiearbeit Der weiße Scheich. Diese Frau S.!

8. September, ein Dienstag

Heute Hausversammlung: Zwecks Demonstration eigener Teamkompatibilität und Projektanpassung habe ich schonend sanft jenen Konflikt zwischen Genossenschafts-Vorstand und mir zur Sprache gebracht. Rundherum pikiertes und duldendes Schweigen der Liebküsschen-Nachbarn. Der Vorstand revanchiert sich mit routinierter Leutseligkeit. Eigentlich ist das Ganze zum Schreien.

Pedal the World gesehen: eine Selbst-Dokumentation über einen Radfahrer, der ein Jahr lang mit dem Rad die Welt erkundet hat. Er hat sie aber nicht „erkundet“. Der Filmemacher ist ein eitler Gockel, der kein anderes Wort als „geil“ oder „scheiße“ für Dinge findet, die ihm gefallen oder nicht. Schade. Ich hatte lange auf diesen Film hingefiebert.

12. September, ein Sonnabend

Der Hauptmieter, der ja mein Vermieter ist, schickt mir immer wieder Mietverträge zur Unterschrift, die lediglich die Mietkosten nach oben regulieren, aber keine Mietdauergarantie einräumen, obwohl wir das telefonisch vereinbart haben. Meine Hinweise darauf ignoriert er. Er ist Jurist und macht sich einen juristischen Sport aus der Sache, indem er mich jetzt unter Druck setzen zu können glaubt, weil ich ohne seinen Vertrag keine Zwischenumsetzwohnung bekomme. Aber er weiß nicht, dass ich bereits eine zugesichert bekommen habe.

Sonnabendglück. Training, Frühstück, Ausstellung früher japanischer Fotografie, schließlich noch chinesisch Essen mit Frau S., die sich ein wenig festkrallt, was mir Sorgen bereitet. Ach, was für ein Unsinn aber auch.

5. Oktober 2016 10:02