Thorsten Krämer

Das Miauen der Maschinen (7/7)

Noch einmal zurück zu den Katzen. Warum sollten wir auf die Möglichkeit warten, dass eine nach unserem Vorbild geschaffene künstliche Intelligenz den Dialog mit dem Tier eröffnet? Warum nicht gleich danach streben, keine Androiden, sondern Felinoiden zu erschaffen, künstliche Katzen also? Sicher, es gibt bereits Aibo, den japanischen Roboterhund, aber auch dieser ist für die Interaktion mit menschlichen Kindern konstruiert worden; er ist ein Spielzeug, kein Hund unter Hunden. Für die Konstruktion von Felinoiden spricht jedenfalls ein interessanter Umstand: Es gibt im Tierreich kein uncanny valley. Menschen reagieren mit Unbehagen auf menschen-ähnliche Darstellungen, wenn diese entweder nicht abstrakt genug oder nicht realistisch genug sind. Das ist der Grund, warum etwa Bauchrednerpuppen so häufig in Horrorfilmen vorkommen. Tiere hingegen haben kein Problem damit, andersartige Lebewesen als ihresgleichen zu behandeln. Der Kuckuck hat bekanntlich sein Geschäftsmodell auf diesem Phänomen aufgebaut – sein Nachwuchs wird problemlos von anderen Vogelarten akzeptiert, selbst wenn die Jungtiere mitunter bald nach dem Schlüpfen schon größer sind als ihre unfreiwilligen Stiefeltern. Auch in der Tierforschung wird häufig mit mehr oder weniger raffinierten Attrappen gearbeitet, und in den meisten Fällen zeigt sich, dass im Tierreich eine wesentliche größere Toleranz herrscht als unter Menschen. Darauf ließe sich aufbauen. Eine künstliche Katze gelte es also zu konstruieren, mit seidig glänzendem Fell und einer mysteriösen Katzen-Intelligenz, deren Interaktion mit anderen Katzen erst mit der Zeit immer katzenartiger werden müsste, um schließlich auch uns Menschen zu überzeugen. Wobei der Mensch, dies skeptische Wesen, sich nie ganz sicher sein könnte, wer denn der eigentliche Profiteur einer solchen Innovation wäre: er selbst oder die Katze? Des Nachts läge er wach und lauschte auf das Miauen der Maschine.

16. Juni 2023 10:05