Sylvia Geist

Der Geschmack von Fadenschein

Alles wird gut im Schlafsaal der Engel. Wo unter einem Dach so blau
wie Welpenaugen die Dinge sich dem Sinn ergeben, den sie zuvor,
kraft welcher Zauberwörter immer, gemacht haben. Woanders leben

Menschen, finden Zuversicht in Gebeten oder der Gewissheit, dass
Singen den Vagusnerv beruhigt, und kommen mit der S-Bahn durch
den laufenden Monat. Hallen, Tunnelhallen unter glatten Himmeln,

vorbei an Markthallen, Lagerhallen, Hallen voll mit plattem Land.
Im Gang hält jemand eine Ansprache an die Satten, die Geizigen,
die Heuchler. Was wird eine Sprache hier, wo sie nicht mehr bittet,

die bittere? Im Bauch das Frettchen Scham, wird sie still. Ich glaube
an die Gespräche in den verrückteren Zimmern dessen, was ich meine
Sinne nenne, und wenn du von dem Tag erzählst, als die Wetterapps

eigentlich noch einen mehr auf dem Trockenen versprochen hatten,
und von dem dünnen Farbband überm Gleis, zum sichtbaren Beweis
für unser Sonnenlichtspektrum geoffenbart vom Schauer in der Sekunde,

da deine Bahn ab in den Untergrund rauschte, macht mein Mund O
wie in good oder god. Nicht weil ich sähe was du siehst, nur liegt mir
die Vokabel Fadenschein auf der Zunge und schmeckt nach Honig.

3. Dezember 2025 13:38