Mirko Bonné

Der Zollinspektor von New York City

Jeden Vormittag stellte er sich zwischen
zehn und elf einmal in die übermauerte
Nische, in die das weite klare Leuchten
vom Meer hereinfiel. Silbriger Hudson.
So rauchte er. Bis ihm der milchige
Himmel vor Augen verschwamm.
Er las Zeitung. Im Herald Gedichte,
die Buchbesprechungen, Kritiken.
Solange aus den schwarzen Zeilen
nicht die alte Schalheit herauskroch.
Dann hob er den Blick, sah hinüber
zum Gewimmel auf der Schonerpier.

Manchmal ein Käfig mit einem Tier.
Im Juli 1873 schwebte am Lastbaum
ein Orchester, das spielte wie der Wind
in Pittsfields Ulmen. Alle Jahre im Kopf,
neunzehn. Die Heimfahrten im Dunkel,
über den Gaslaternen am Astor Place
das Flattern der Fledermäuse. Herman,
sagte er zu sich selbst. Herman Melville!
Bleib stehen im Licht. Verbirg dich darin.
Und hörte Jack Chase, vor vierzig Jahren.
Komm, wir hauen uns hin, rief er im Mast.
Genug ist genug, Herman. Los, zum Bug!

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19. Mai 2013 00:24