Christian Lorenz Müller

GEDICHT MIT TOUPET

Dieses Gedicht tut sich schwer damit
ein Toupet aufzusetzen.
Es will ihm nicht wirklich gelingen
richtig großkotzig zu sein.
Allein schon ein Adjektiv
wie great in den Mund zu nehmen
macht ihm wahrlich Mühe,
und es ist ihm schier unmöglich
einfach zu behaupten
andere Gedichte hätten keine Ahnung,
Hölderlins „Hälfte des Lebens“
hätte keine Ahnung, no clue, vom Herbst,
oder Jan Wagners Haikus
wüssten nichts von Regentonnen.

Aber da denkt das Gedicht
wahrscheinlich viel zu kompliziert.
Ein Gedicht mit einem Toupet
ist ein Gedicht, das keine Glatze zeigt.
– Also los, sagt sich dieses Gedicht,
lass endlich die Sau raus,
du kannst dir erlauben, Shakespeares Sonette
in der Übersetzer-Umkleide zu befummeln
und Inger Christenses „sommerfugle“
ins Panini-Album zu kleben,
du kannst dir alles erlauben,
weil du gleich im „Fisch“ gepostet wirst,
weil all die anderen Gedichte im Forum,
establishment, unter dir stehen werden.
Die allermeisten Anderen tragen ohnehin
längst ein Toupet.

19. Januar 2017 10:56