Mirko Bonné

Sander Tannen

Zwischen den Plattenbauten von Nettelnburg
umhergaloppieren, und weiter durch den Frost
des frühen Morgens am S-Bahndamm entlang.
Die klirrende Luft. Ich könnte nachsehen, wann
ein Bus zur Schule abfährt, aber zockele lieber
vorbei am Billwerder Billdeich. Dort steht blass,
rot im Dunst, der Giebel eines Vierländer Hofs,
wo vor vierzig Jahren ein Schulfreund wohnte.
Wo bist du, Hakan Akalin! Kahle Äste; Elstern;
grauer Laubschlamm in Grünanlagen. Sander
Tannen — so hieß die Schule meiner Freundin
in der Zeit, als ich mir tags den Kopf zerbrach
über Schreiben, Musik, mich. Tender sun. Adri.
Am Telefon eine mir unbekannte Welt, hoffe ich
Dich zu finden, heißt es bei Sun Kil Moon. Früh
am Abend kachelte ich dann mit der Guilietta
zu Alten in Boberg und Lohbrügge. Eine Blinde
sah immer noch vor sich, wie hell es 1921 war,
und in einer Mansarde lebte eine, die hatte ich
lieb, die konnte nur liegen und rief mich: „Pony!“
Ich rede an der Schule, die längst anders heißt,
mit Schülern, jünger als mein Sohn, über Trakl,
Trakls Schwester, Tabus. Und ich trabe zurück,
durchs Laub, zum Bahnhof. Die Elstern lachen;
und der Nachmittag, so war er immer, ist grau.

Für Mark Kozelek

*

17. Dezember 2016 00:19