Christian Lorenz Müller
WIR SIND SCHNEE
Es schneit, es schneit das Schwarz
der Straßen weiß, wächtige Welt,
in der kein Weg mehr ist,
niemand hinterlässt noch eine Spur.
Der Soleschweif eines Räumfahrzeugs
schlägt noch einmal hin und her,
dann steht er still, die Stunden
stapfen stadtwärts, sie kehren zurück
und setzen sich ans Fenster,
wo unablässig die Gardinen
zugezogen werden, alles verweißt, verflockt,
alle Geräusche liegen am Boden, bedeckt, begraben,
du hast einen halb aufgeschlagenen Band
mit Frühlingslyrik in der Hand,
Schneepflug, der im Wetterbericht
stecken bleibt, weiterhin Schnee,
er verflaumt, verpudert den Blick,
das Licht beginnt zu erblinden,
hell blinzelt die Nacht durch die Laternen,
wir schlafen und träumen uns weiß,
wir fallen und wirbeln, sind weich
und verweht, wir sind Schnee.