Gerald Koll

Zazen-Sesshin (10)

Wir nehmen einen Tee.

Auf dem Tagesplan wirkt der Eintrag „Tee“ wie ein Ausflug in zivile Dekadenz mit abgespreiztem Finger. In der Wirklichkeit des Sesshin handelt es sich um eine disziplinarische Maßnahme.

Nahezu alle Zeit der Teezeremonie gehört dem zeremoniellen Davor und Danach, dem andachtsvollen Warten ohne Erwartung, der bedachtsamen Empfängnis, der verbeugenden Empfangsbestätigung, der Weitergabe der Gerätschaft, dem wachen Lauern auf das Signal gemeinsamer Verkostung.

Verschwindend wenig Zeit benötigt der Verzehr eines abgezählten münzgroßen Keksgebäcks. Geschwind geschluckt ist die Menge Flüssigkeit einer Puppenstubenschale. In dezenter Eile müht sich einjeder, andere Teilnehmer nicht warten zu lassen. Durstige erhalten eine zweite Pipette.

Andachtsvoller Dank kleidet sich in Sutra, Bekenntnis und Versprechen, die nährende Spende zu verwenden im Dienst an der Menschheit. Die zähe Zeremonie endet, das Sitzen nimmt seinen Gang.

Wir nahmen Tee zu uns.

10. März 2012 12:10