Gerald Koll

Zazen-Sesshin (16)

Mit Ächzen und Knarren in den Planken des Gebeins richtet das sitzende Dutzend sich auf. Nach vierzig Minuten des Sitzens geht es im Kreis, gemessenen Schrittes, gesenkten Blicks, Kin Hin, mit angelegten Händen vor der Brust, blinzelnd unter den Lidern, ob der Abstand zum Vorderen kürzer oder länger wird, denn der namenlose Mönch achtet auf Gleichmaß, und unwirsch wird er bei gegebenem Anlass.

Das Schreiten führt heraus aus den Gräben der Dielen. Diesmal waren sie Savannen. Schwaden Nebels zogen hindurch, bis sie sich lichteten und die Savanne Dornen trug, befallen von Aschen ausgebrochener Knie. Die schrien vor Schmerz, im Eindruck der Striemen glühender Drähte und im Zucken kommender Schmerzen. Hindurch!!, gezwängt und bezwungen von hinten und vorn. Unmöglich, den Schmerz zu verdrängen, auch mit Liebe war er nicht bestechlich, so wurde ich Tiger und kreiste ihn ein. Ich schnitt ihn ab von Vorher und Nachher, kam näher, zog die Kreise enger, bis, jede Sekunde aufs Neue, das eben Erlebte längst vergangen war und die nächste Zukunft in fernster Weite unberührt lag: bis der alles verschlingende Schmerz abgenagt war auf die kleinste Größe des Moments, die den Schrei nicht lohnt.

Doch träge wurde ich und verlegte mich ins Kauern. Die Savanne wurde Steppe. Trockener Wind blies Zahlen darüber hin, die sich verketteten und sich um meine Kehle legten und verschnürten wie ein Strick, der das Ende sucht und sich um die Gurgel legt und schwerer wiegt mit jeder Zahl: Jede möge die letzte sein, doch legte sich, solange der Mönch die Schale nicht schlug, die nächsthöhere Zahl auf die letzte, eine bleierne Elf auf die Zehn, darauf die Zwölf, darauf die Dreizehn und am Ende dieses Tages, des 28. Dezember, die Einhundertundneununddreißig.

Bevor ächzend und knarrend die Knochen den Stand fanden, küsste die Stirn gedanklich den Sand der Steppen der Dielen, Füße wandelten benommene Minuten, Abstand wahrend zu den stummen Nomaden, die zum 24. Mal beieinander saßen, jeder für sich, in der Glut ihrer Höllenwinkel. 28. Dezember um zehn Uhr nachts. Himmel und Sterne. Wir schütteln uns still.

21. April 2012 21:35