Gerald Koll

Zazen Sesshin (18)

„Vladimir’s Night“ ist ein Hybrid aus Kinderbuch, einer äußerst blutigen Märtyrergeschichte und einem verschachtelten politischen Traktat. Vladimir (Putin – auch wenn der Name nie genannt wird) ist gleichzeitig ein kleines Kind und ein politischer Führer, der in seinem Sommerhaus Ferien macht. Vor dem Einschlafen sieht er in der Maserung seines Schlafzimmerschranks Gesichter.
Die Gesichter beginnen sich zu bewegen, ein Mund öffnet sich, belebte Objekte fliegen heraus, um mit Vladimir zu kuscheln, ausgelassene Freunde tauchen aus einer Schublade und aus Vladimirs Tasche auf. Das fröhliche Treiben schlägt aber rasch in Gewalt um. Vladimir wird vergewaltigt, gefoltert und am Ende von den Objekten ermordet…
Der israelische Künstler Roee Rosen steckt hinter dem russischen Schriftsteller und Künstler Efim Poplawski (1978-2011) aka Maxim Komar-Myshkin. Dieser war stark von Daniil Charms‘ zugleich komischer und schauriger Form des Absurden beeinflusst, die für ihn zwei scheinbar unvereinbare Zustände verkörperte: eine durch die Kunst gewonnene heitere, aufsässige, irrationale Autonomie und das allumfassende Gefühl eines realen rachsüchtigen Animismus.
Roee Rosen (*1963): „Vladimir’s Night“ by Maxim Komar-Myshkin, 2011/2012. Auswahl aus einem Album mit 40 Gouachen und Text auf Papier, je 55×36,5 cm.
(Programmtext der Broschüre zur Ausstellung/Konferenz Animismus, 16.3.-6.5.2012, Haus der Kulturen der Welt, Berlin.)

6. Mai 2012 17:30