Gerald Koll

Zazen-Sesshin (35)

Jetzt ist es so weit. Jetzt ist es dahingekommen, dass der Teilnehmer des Sesshin in dummem Jubelschweigen dankbar ergeben die Bereitschaft des namenlosen Mönchs zur Entgegennahme eines Geschenkes empfängt und sich überschwemmt in Freude. Freude über den positiven Bescheid seines Antrags, dem seitens des namenlosen Mönchs die Ankündigung eines beim Teilnehmer bald eintreffenden, wiewohl etwas verspäteten Neujahrsgrußes vorausging. Und nicht nur die Einwilligung ist es, die im Lauffeuer

nun durch die Blutbahnen zischelt, sondern eher noch der so günstig ergriffene Moment der Antragstellung, gleichsam ersprossen aus der Rede des namenlosen Mönchs – und der Teilnehmer mag sich daran künftig lediglich in An- und Abführungszeichen erinnern: Man muss, auch wenn man

im Konzentrationslager ist, die Schönheit des Sonnenstrahls auf dem Gewehrlauf genießen. Äußerst zweifelhaft, prekär und heikel klang das nun schon wiederholt bemühte Wort des Konzentrationslagers in den Ohren des Teilnehmers. Gern hätte er darauf hingewiesen, es hätte

einer Überspitzung des Beispiels nicht bedurft, und auch das Wort vom Blatt auf dem Boden, das mit jedem Luftzug sich verändere und dem Staunen des Betrachters neue Rätsel aufgebe, hätte ihm vollauf genügt. Doch klüglich – und im Inneren bestrebt, das intensive Üben am Mitgefühl nicht zu vernachlässigen, verstummte sein Bedarf an Debatte, und er freute sich so sehr an der Schönheit des Sonnenstrahls auf der Nase des namenlosen Mönchs, dass er ihm ein Geschenk anzutragen sich spontan entschloss.

4. September 2012 01:44