Gerald Koll

Zazen-Sesshin (7)

Es gibt eine übermannende Müdigkeit, die mit Pranken in den Leib greift wie in einen Teig oder in schmutzige Wäsche. Das Walken dieser Müdigkeit im Zuber des Zazen setzt mit dem dritten, die Sitzung einläutenden Gongschlag ein und dauert fort bis zum nächsten Schlag. Er fällt vierzig Minuten später, um sechs Uhr und vierzig Minuten.

Erfahrungsgemäß kann eine Bomberstaffel innerhalb von vierzig Minuten eine Hauptstadt von der Größe Hamburgs oder Danzigs in Schutt und Asche legen. Gestern noch stieg Rauch aus den Kaminen der Stadt, heute ist die Stadt selbst ein Kamin mit zerrissenem Schamott. Die einzelnen Kamine sind nicht mehr zählbar, sie liegen am Boden übereinander. Schlafend rauchende Städte.

Zu zählen ist von eins bis zehn, wie ich erinnere. Beginne ich zu zählen, zähle ich zu lange, weit bis über zehn hinaus, ich müsste wieder bei null beginnen, ich müsste den Schlitten der inneren Zählmaschine mit Schwung und Schnarren nach links setzen. Doch dazu fehlt die Kraft, und dumpf zählt es sich weiter, manchmal bis achtundvierzig, und erschreckt rechne ich aus, dass von achtundvierzig Zähleinheiten mindestens achtunddreißig einem Wachschlaf zuzurechnen sind. Wahrscheinlich mehr. Vielleicht sechsundvierzig. Vielleicht mehr. Zählte ich aber nicht, schliefe ich unverzüglich.

So also schläft es sich mit offenen Augen, denn offen sind die Augen und nicht zu, sie sind auf Weisung des namenlosen Meisters viertel offen und in einem Winkel von 45 Grad auf den Boden gerichtet, auf die geschliffenen Holzdielen mit ihren Maserungen und Astlöchern. Wolkenbänder erstrecken sich dort, mit Fallschirmen dazwischen, Truppen von Fallschirmjägern …

19. Februar 2012 13:19