Gerald Koll

Zazen-Sesshin (8)

Eine Sitzeinheit von vierzig Minuten lässt sich verkürzen, indem man sie als Berganstieg vorstellt, der in achtzig Minuten zurückzulegen sei. Das Ziel könnte ein Tempel sein, wie bei einer Pilgerreise. Die Sitzzeit verginge im Zeitraffer, und die Tätigkeit erschiene bequem, sofern man dem Irrglauben anhängt, Sitzen wäre bequemer als Gehen. Eben noch, vor der 16. Einheit, ging ich, eben noch ging ich auf belaubten Wegen unter Ästen, eben war Samu, die vormittägliche Gartenarbeit.

Während des Samu trug der namenlose Meister eine Jakobinermütze. Nur die rote Farbe fehlte. Auch die Kokarde. Sonst aber nichts.

Das hingegebene Lächeln des Schülers während des Samu ist frei von Ironie. So stumpfsinnig kann die stumpfsinnigste Arbeit nicht sein, als dass sie nicht befreiender wäre, als still zu sitzen. Glücklich bürstete der Schüler nasses Laub zwischen Moosen heraus. Schob eine Karre den Abhang hinauf zu den Haufen und Wurfhügeln. Auch ließ sich das allgemeine Schweigegebot unterlaufen, denn zu fragen ist erlaubt, wo Gerät zu finden sei. Wo ist Schaufel, wo ist Besen? Dort im Schuppen neben dem Kompostklo, in dem du deine Exkremente mit Sägespänen bestreust!

Dann ist sie da, die 16. Einheit. Während des Starrens wellt sich der Dielenboden zur Wüstendüne. Vier Astlöcher verbinden sich zu einem Löwenkopf. Nur die Mähne fehlt. Auch die Zähne. Sonst aber nichts. Der dürre Löwe starrt ungläubig, die Knie starren zurück.

27. Februar 2012 08:59