Andreas Louis Seyerlein

MELDUNG. Tief­see­e­le­fan­ten, 588 hupende Rüs­sel­ro­sen, nahe Mau­ri­tius gesich­tet. Man wan­dert in süd­li­cher Rich­tung. — stop

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1. Dezember 2013 04:11










Christine Kappe

Zustellversuch 5

Barlinge 1. Vergebliches Gespräch mit einer alten Frau im Hausflur, friere durch, weil ich vorher geschwitzt habe, warum wir keinen Schlüssel kriegen, warum es den Menschen nur ums Geld geht. Ihr rechtes Auge ist kleiner und tränt, ob sie damit was sehen kann? Sie will meine Hände fühlen, wie kalt die sind, doch ich hab Handschuh an. Nachher erklärt mir mein Kollege, die Hoftür sei dort immer offen und ich weiß nicht, ob dies oder der wärmende Blick eines Mannes, den ich erfunden habe, mich über den Tag gerettet hat.

4. Dezember 2013 09:41










Andreas H. Drescher

ABER DIE NACHT

Als wäre das Geh
ör
auf einmal frei
gelassen
um Zik
ad
en
zu zu
hören
vielleicht auch wen
ig
er
als Zikaden vor der
Stimme als riefe s
ich
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er aus aus ihrem Sch
rillen um endlich aus
dem
Takt
zu kommen aber w
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Takt Das dort h
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könnte ein Bach s
ein
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gleichseitiger Bach
der
drei
klingt drei klingt drei
kling
t der sich fort w
er
end
selber stimmen muss
Was
für
ein Knirschen aber
vor
dem Ob
erton ein Knirschen
wie
ein
Schuss und dann h
er
aus
geschraubt bis er
tat
säch
lich anspringt

„Schon entlassen… spekuliert… ein Ausbau… der Experten… Klima…
Ökonom… ein Nischendasein… Anteil… Null zu Null… Regenpunkte…“

11. Dezember 2013 23:20










Markus Stegmann

Mars ohne Meer

Regenpunkte weiter westwärts
durchtrennen Rillenklingen die
Wolldecken der Erinnerung
als ich vergass und
es wieder regnete
schrauben wir uns westwärts
einer Bleistiftlinie längs als
wären wir Fäden kreiste
messerloser Mars ohne Meer

13. Dezember 2013 23:31










Andreas H. Drescher

SONDERMARKEN

Das Reißen unter meinem linken Schulterblatt war ein sehr frommes Reißen. Bis heute Morgen. Denn von heute Morgen an arbeitet sich das Nicht-mehr-ganz-so-Fromme auf einer Welle aus mittel-hohem Adrenalin durch mich hindurch.

Genau in Richtung dieses frühen Abends, als ich ihren Koffer die elf Stufen zur Post hinauf schleppte. Den Stoff-Koffer, den die alte Dame mit den aufgelösten Haaren auf ein Metallgestell mit zu kleinen Rädern geschnallt hatte.

Oben angekommen, bedankte sie sich nicht, nestelte nur fahrig am leicht verrutschten Expander herum und drehte mir dabei so konsequent den Rücken zu, als wolle sie verhindern, dass ich ihr noch einmal meine Hilfe anbot.

Ich kümmerte mich nicht darum, ich machte mir schon Sorgen um meine Schulter, in der gerade auf der neunten der elf Stufen ein merkwürdig metallisches Springen zu verzeichnen gewesen war.

Schon beim Anheben hatte ich mich verschätzt. Der Koffer war weit schwerer gewesen, als ich erwartet hatte.

Erst nachts begann das Reißen, weckte mich und war selbst auch von drei Aspirin nicht mehr zum Einschlafen zu bringen.

Ich hatte nur diesen einen Trost: eben den, dass es ein frommes Reißen war, eines direkt aus der Menschenfreundlichkeit.

Natürlich war ich ein wenig irritiert, als sie mir noch häufiger mit ihrem Koffer in der Stadt begegnete, aber ich ließ mich davon nicht anfechten.

Bis heute Morgen. Denn heute Morgen war ich gleich nach dem Termin beim Chiropraktiker noch auf der Post, um Sondermarken zu kaufen.

Da zerrte die Alte mit den wirren Haaren ihren Koffer diesmal ganz ohne Hilfe die elf Stufen herauf, und die Postlerin flüsterte:

„Sie nimmt ihre Bücher mit, wenn sie aus dem Haus geht. Aus Angst, die werden ihr gestohlen!“

18. Dezember 2013 10:23










Hans Thill

Der Goldene Fisch

Baden verboten

soll heute heissen: »Landschaft mit Schwimmer«

21. Dezember 2013 00:38










Mirko Bonné

Zum Tod von Helga M. Novak

Ich möchte nochmal durchatmen

Ich möchte nochmal durchatmen
und mit großen Schritten
offenen Auges und lächelnd
durch ein Land gehen
wo keiner ein blutiges Handwerk treibt
wo keine Schuldfrage steht
und wer hat angefangen
ich möchte nochmal alles vergessen
und mich selber
und durch ein Land gehen
das mich entwirrt und bewirtet
und meinen Kopf und meine Hände befreit
wo alle Verborgenheit sich in Rauch auflöst
wem nützt es denn wenn ich bleibe

*

Heute ist Helga M. Novak gestorben.

24. Dezember 2013 16:36










Hendrik Rost

Nutzlose Erinnerungen an eine nutzlose Kindheit

50 Pfennige versprach die Großmutter auf Besuch, wenn ich es schaffte, eine halbe Stunde Mittagsruhe zu halten. Ich lag auf dem Bett und verfolgte den gelähmten Zeiger des Weckers. 50 Pfennig für ein Leben, das sich seitdem in zwei Teilen misst, der Zeit vor der Zeit, in der es nur Unruhe gab und Bewegung und auch Müdigkeit ohne Maß, und die Zeit, die sich auf Dauer nicht lohnt.

Aus Wut darüber, das Zimmer aufräumen zu müssen, kam mir die Idee, die Fische aus dem Aquarium zu saugen. Erst als der Staubsauger hinten Schaum ausspuckte und stotterte und dann aussetzte, kam mir der Gedanke, dass ich keinen der Fische erwischte, bevor mir eine glaubwürdige Erklärung für den Zustand des Saugers einfiele. Überrascht sah ich in den Augen meines Vaters bei der erwarteten Bestrafung Erleichterung darüber, dass weder mir noch den Fischen etwas passiert war, und eine Art heimlicher Verbrüderung unter Tunichtguten.

Als jüngster einer Reihe von Brüdern war meine einzige Reaktion auf meine Mutter, immerzu „Hunger!“ zu brüllen, wenn ich sie sah. Immer wieder „Hunger!“, um etwas abzubekommen und ihrer Aufmerksamkeit keine Gelegenheit zu geben, sich abzuwenden. Hunger als Oberbegriff aller Bedürfnisse, die ich gar nicht kannte. Hunger noch, als ich mich als Jugendlicher längst auf Astralmaße abgeschmolzen hatte, der nicht gestillt wird. Nicht von euch. So nicht. Vielleicht im zigtausendsten Gedicht.

27. Dezember 2013 09:40