Hans Thill
das harte Gras erreichte den Asphalt wo
er platzte überm Kies wir mit Messern
kratzten das Schwarze vom Grund der Kessel
in den Tälern duckte sich das Nutzholz
unter die gedachten Wolken nach
dem letzten Kellertanz (Regen)
24. August 2009 23:36
Hans Thill
aho bunte Vögel über Dächer
staksend Füchse fraßen die
letzten Bienen. Wir schnappten
uns den Wind stülpten ihm
einen Mehlsack übers Gesicht
das dicke Papier blähte sich
in den Nähten als der Zucker
zu arbeiten begann wuchsen
uns Nägel das feine Pulver zu
kosten leckten es von den Lidern
unserer Frauen aho in der Luft
standen die seidigen Fahnen
Raupen im Tal beim Ackern
beim Weben
18. August 2009 23:52
Hans Thill
hoi die Pflanzen übersprangen
unsere Zäune und in den Drähten
waren das Insekten? Wir lauschten
am Mast Honig im Ohr Käpten
der am Tropf hängt Windsammler
mit einem Schlag beim weißen
Geschlecht das wünschte er sich hier
Staub nahmen wir von der Erde
preßten ihn zu Öl
6. August 2009 10:29
Hans Thill
Mundorgel: Madagaskar
In den Kesseln da faulte das Wasser
und täglich lag eine nasse Hand über
eng gepflanzten Zelten Thermidor
Fallwinde Halsknoten Köpfe unter
einem gestrafften Stück Stoff Raupen
vom Blattwerk beschirmt oben ein
Düsenjäger (ahoi) holte Fahnen
aus der Luft. Wir verteilten das Gift
in Tropfen ein feiner Nebel gegen
den Fraß am Laub unseres Brotes
25. Juli 2009 11:49
Hans Thill
In einer sonntäglichen Radiosendung zum Thema Tiefsee hörte Test den Reporter aus dem Aquarium von Neapel berichten, er habe unlängst Moränen dabei beobachtet, wie sie immer wieder in dekorativ am Grund des Aquariums ausgestreuten antiken Amphoren Schutz gesucht hätten, ein ständiges Hin und Her, bei dem oft nur ein Teil des Kopfes oder eine Schwanzspitze zu sehen gewesen wäre. Neben ihm habe ein älterer Tourist aus Berlin zu seiner Frau gesagt: »Kiek de Aale, immer mang de Pötte!«
7. Juli 2009 10:02
Hans Thill
Soba (Zimmer), More (Meer), Cape Maybe und
ein auf Sandalen gebauter Himmel Himalaya. Neon Lyra,
Mädchen im Mandolinenslip, beim Zählen der Vögel, der
Plastikflügel über Illyrien. Hotel Donau, hier endet
Edekobe, fest stehen die Karawanken, wo der Srebrobär
sein Sägemehl frißt wie wir die Sprachwolken.
Auf deinen Augen, inneres Mädchen, rudern wir
für einen Würfelzucker, für eine Handvoll vergessener
Kirschen, für die geworfene Peperoni der Revolution.
Teheran. Genosse Absolut an die Korinther: Ha! Ha!
Upha! Gebt mir ein Blei dann rufe ich die Heilsarmee
der Worte. Johann Köhl, der die Klarinetten zählt, die
toten Fische im blauen Kaltwasser. Alte Wasser, bittere
Früchte. Wir küssen das Meer. Strah (Angst), Ime (Name),
Prah (Staub)
Begrüßungsgedicht für Tomica Bajsic, Gordana Benic, Ivana Bodrozic Simic, Branko Cegec, Delimir Resicki, Zvonko Makovic, Urs Allemann, Arnfrid Astel, Kurt Drawert, Ann Cotten, Karin Kiwus. Poesie der Nachbarn Kroatien. Edenkoben 24.6.2009
25. Juni 2009 09:43
Hans Thill
Gedächtnis-Notizen (für Männer)
Er sagt: gib mir dein intimes Denken.
Sie sagt: gib mir sein Einverständnis.
Sie sagt: ich selbst bin fremd meiner Umarmung.
Er sagt: in der Reglosigkeit des Begehrens ohne ein Morgen.
Sie sagt: der Engel erscheint den Frauen nicht.
Er sagt: er erscheint und verschwindet, dabei mißt er die Entfernung.
Er sagt: ich schenke, empfange dich, indem ich dich anerkenne.
Sie sagt: stell dir vor, du wärst verfolgt, aufgelöst in deiner Kindheit.
Sie sagen: soviel Lust für eine flüchtige Nacht.
Sie sagt: jede Nacht wendet sich ab vom Tag im Aufblitzen eines Augenblicks.
Er sagt: schreib!
Sie sagt: vergiß dabei die Götter und ihre Engel.
18. Juni 2009 12:26
Hans Thill
Seit der Romantik hat man sich immer wieder die Frage gestellt, was ein poetisches Leben sein könnte. Vivre poétiquement: für Baudelaire hatte der Dichter cool zu sein, Jarry fuhr mit dem Fahrrad durch Paris, eine Flinte auf dem Rücken, Brecht ließ die Zigarre nie ausgehn. Ganz anders Martin Zingg, für den das poetische Leben Engagement und unermüdliche Tätigkeit bedeutet. Als junger Mann hat er die Zeitschrift Drehpunkt begründet (zusammen mit Rudolf Bussmann), die nicht nur für die schweizer Literatur ein solcher geworden ist. Er hat in 25 Jahren 125 Nummern herausgegeben, bis ins Jahr 2006. Er ist ein einfallsreicher, verlässlicher Vermittler, Rezensent, Übersetzer, Journalist. Er schreibt konzentrierte, eigenwillige Gedichte, die man viel zu selten liest. Das soll jetzt anders werden. Willkommen, Martin Zingg, im Goldenen Fisch!
4. Juni 2009 18:15
Hans Thill
Lied der Waende: Emmausjuenger
beim Schmaus darueber Christ Geburt
und Betung. Bernhard weckt das Kind
Nathan schimpft David einen Taeu-
fer da zeigt sich Magdalena
der Fuerstin von Provence Samson
schmeisst den Loewen Maenner essen
Reben. Drache mit Dame Apo-
kalypsepaar. Joseph und zwar
mit Frau Potiphar. Jakob wird
von Isaak geweiht. Peter und
Paul beten. Olifantenen-
gel. Antonius und Paulus
essen auch. Versuchung Bene-
dicti Kains Tod. Apostel
schreiben Reden auf Stein. Bauer
schneidet Brot. Einer friert einer
wirft den Rock ab. Wein wird geschnit-
ten. Einer huetet Schafe. Ein
Krieger stuetzt sich auf sein Schild. Ein
anderer maeht. Gaukler Hund Si-
rene. Schnitter. Bauer drischt sein
Korn. Bauer kippt es in die Hip-
pe. Ernte des Feldes. Bauer
sticht sein Schwein. Mann traegt alte Frau
auf Schultern. Mann haelt den Kelch mit
Wein. Omnibus in membris de-
signat decembris. Wein der Waen-
de. Blondine des Testaments
hier liegstu Stein und Estrich
decken Dich. Wir hueten Deine
Reste wie Nuesse aus dem Gar-
ten Jesse. Wir Inder mit dem
Hundekopf. Wir Rabenvoegel.
Wir Pygmaeen legen die Lei-
ter des Gebets ans Pferd. Fenster
der Nacktheit fliegen in den Him-
mel. Die leere Welt giesst sich aus
im schwarzen September Acht.
Par respect pour se site ne
pas se tenir aux grilles.
Hier haelt man sich nicht an Gittern:
Do Mi Si La Do Re. Haus des
Herrschers aller Noten. Lied
der Waende.
24. Mai 2009 17:24