Hans Thill
Useful Knowledge
Das Elixir
wirkt wie lose Buchstaben in einem Gebirgsbach, eine Verabredung in die Rinde geschnitzt. Man trinkt es in kleinen Schlucken als einen Zusammenhang von Schlange und Schnaps. Man trinkt es im Exil. Auch hier muß man geduldig sein. Hans Test ist Tristan. Wer das Glas zu früh öffnet, wird noch schnell von der Schlange gebissen. So ist das in China, wo sich Eliten an einem Gebräu berauschen. Test nimmt Nudeln anstatt der Schlangen, den Liebestrank hat er zuvor verschluckt.
Hans Thill
Der Marsietis sagt
Ich, ich und ich. Keine Angst, gleich
knackt es ein wenig im Skelett
ich bin jetzt krank. Die Erde spuckt Brocken
und graue Erbsen, der Wind
hat einen Rock und heißt Ubu. Ich baue
mir ein Haus aus nassen Maulbeeren,
die hier die Straßen färben. Schwarzer
Letten, Spätburgunder, früh krümmt
sich was ein Polarorakel werden will.
Ein Trecker mit Bambi-Motor, gefahren
von der Oma, die ihr Fell nach außen
trägt. Im Winter, heißt es, liegt ein
sanftes Papierorakel auf Strauch und
Weg. Im Winter heizt man mit
Vokalen. Ich schreibe Wortskelette in den
Schnee, ich schreibe gelben Nebel
neben Edenkoben, den die Nibelungen
schlucken, als wären sie Deleuze.
Der löst die Rätsel einer Nachbarwelt
im Machtbereich der Gothic Girls
mit der Formel (typisch romanisch)
Poems for all – Pommes für alle!
Háblame, sagt der Marsietis: fülle endlich
jemand mein Glas mit gelbem oder
rotem Regen.
Begrüßungsgedicht für
Amanda Aizpuriete, Uldis Berziņš, Inga Gaile, Semjon Hanin, Liana Langa, Karlis Verdiņš, Carolin Callies, Claudia Gabler, Matthias Göritz, Norbert Hummelt, Jan Kuhlbrodt, Anja Utler
Hans Thill
… von den Wäldern …
von den Samstagswäldern bei
Worms haben wir noch die Rinde über den Würmern und
eine Pilzsubstanz, welche die Wörter leuchten
macht in der Matrix eines Baums, der
Schatten
sucht und dabei stirbt. Von den hellen Wäldern
haben wir noch die Pyramiden von Paris, die Nüsse, schwarz
in den Schalen und die Bienen, denen wir
seit Vorzeiten die Nahrung stehlen. Von den
roten
Porphyrwäldern haben wir noch die Schlangen,
reglos auf dem winterharten Asphalt. Von den dornigen Wäldern
haben wir noch Reste eines grünen Sirups
mit trügerischem Geschmack, als könnten
uns Haare
Hans Thill
Claudia Gabler
Wie zahlreiche Fische ist Claudia Gabler ein Kind des Festlandes: tief im Südwesten geboren, lebt sie in steinigen Zonen, wo die Tannen ganz nah beisammen stehen. Manchmal wirft sie einen Blick auf die Segel des Bodensees, kürzlich hauste sie für eine Zeit zwischen den Reben in Edenkoben. In Lörrach rollt man mitten im Jahr feurige Räder den Buckel hinunter. Aber nicht einmal das Baden-Baden der Vogeluhren kann sie verschrecken. Claudia Gablers Gedichte sind von seltsamer Schönheit, wie aufgestiegen aus einer fernen Erinnnerung, die mit einem Mal sehr heutige, akute Formen annimmt. Idyllen, die mitunter sehr unsanft mitten unter uns landen. Das gefällt Sylvia Geist, das gefällt auch mir. Mit dem Salz dieser Gedichte wollen wir unseren Teich würzen. Willkommen, Claudia, im goldenen Fisch!
27. August 2014 15:35Hans Thill
… von den Wäldern …
auf dem Pitz Palü und über den Serifen,
wir versunken bis zu den Knien, bis zum Geschlecht. Von den
lauten Wäldern am Hockenheimer Kreuz
haben wir noch den Mund, der das
Fell
kaut, wenn es ein Pergament werden soll,
ein Folienblatt für Oskar auf dem Weg zu Klaus, zu
Claudia, mit dem Geruch des Buchensäuerlings,
der lange im Gras lag,
bei Hagen, der Siegfried tätowierte.
Von den leisen Wäldern bei Worms
haben wir noch die Würmer als schüchterne Runen,
ein Rasseln im geohrfeigten Mund. Aus den
wütenden Wäldern des Donnersberg
(mont tonnerre),
Hans Thill
… von den Wäldern …
haben wir noch das asymmetrische Blinzeln,
wenn die Schrift bereits träge auf einem Bildschirm steht.
Es ist das wässrige Licht nachts auf den
Straßen, das aus den Fenstern
fällt
still wie das Wild um diese Zeit. Von den gespielten
Wäldern aus Fly-Over-Country haben wir noch
die gesprächigen Taxifahrer, ängstlich
in ihrem Leder. Von den
blanken
Wäldern haben wir noch das Hochwerfen
der Arme, wenn wir auf einem bezeichneten Fleck Grün stehen,
der Hubschrauber auf sich warten läßt.
Oder wenn der Ball in den
Korb
fällt, droben auf dem Königstuhl, unten in
Finisterre. Von den dichten Wäldern des Nordens
haben wir noch den Strichcode, der dir
ein Lächeln abnötigt. Jetzt liegt
Schnee
Hans Thill
… von den Wäldern …
(aus Bordeaux) um die eigene Schrift zu lesen, schön krumm,
wie am Hauberg gewachsen, ein Gestrüpp überm weichen
klebrigen Boden. Das ist so schwarz aus der Ferne,
daß man die Gliedertiere nicht
erkennt
vor ihrem Hintergrund oder versteht
was sie sagen könnten. Von den flachen Wäldern der Hardt
haben wir noch die aufsteigende Lust am Zweifel,
der uns Mittags einnimmt im gesiebten
Licht
der Gardinen, ein schwäbisches Verstummen
mitten im Kapitel, Erinnerung an ein Buch des
Dürfens. Von den Wäldern bei Veterano haben wir noch
gehobelte Zeilen, eine Masche, fallengelassen wie ein Viererwort
und ein Ach. Von den wilden
Wäldern
Hans Thill
Selfie mit Prokrustes
Das Leben ist möglich, sofort kann es
beginnen. Mit der weißen Strumpfhose von Psychopolis,
aus viel Milch und ein bisschen Honig, gerade
genug für die Mundhöhle der Mona Lisa, einen hohlen
Zahn des Skaphander. Mit unserer Verbeugung
vor der Leiter zum Bett des Prokrustes, der uns die
Hammelbeine langzieht. Mein Geist ist ein schwarzes Schaf,
ein Windhund, darüber am Himmel Raketoplane, zärtlicher
als die Bienen, die es einmal gab. Wir befinden uns
im Weingarten der Sprache, der Schnee fällt hier mit dem Rücken
zuerst, als wäre er ein blaues Tier. Aha, die Wirklichkeit
haust in den Zimmern (izby), svet heißt die Welt
und Bono heißt Bono. Durch ein Guckloch zu Beerscheba
betrachten wir die einzige Blondine des Neuen Testaments,
Maria Magdalena, versonnen und spitz hantiert sie
das Löffelchen, vor sich Dantes Fußabdruck, gelöst
in einem Glas Wasser
Begrüßungsgedicht für Michal Habaj, Mila Haugová, Rudolf Jurolek, Dana Podracká, Martin Solotruk, Ivan Strpka, Nico Bleutge, Christian Filips, Sylvia Geist, Kerstin Hensel, Christian Steinbacher, Uljana Wolf
Hans Thill
… von den Wäldern …
sie rieseln wie Dreck auf unsere Tischplatte. Trau
keinem Mann mit grauen Schuhen
Von den toten Wäldern bei Freudenstadt
haben wir noch die Hornhaut an den Füßen
und daß wir danach traurig werden
wie unsere Wäsche von vorgestern. Von den alten
Wäldern bei Metzingen haben wir
noch
das Flaschenglas, über das wir liefen
am Vorabend, von den abgeholzten, verfeuerten, rasch zu Asche
gepreßten Wäldern, schneller verwertet als wir
trinken können. Und wir nehmen das
Grundauge