Hans Thill
(aus Bordeaux) um die eigene Schrift zu lesen, schön krumm,
wie am Hauberg gewachsen, ein Gestrüpp überm weichen
klebrigen Boden. Das ist so schwarz aus der Ferne,
daß man die Gliedertiere nicht
erkennt
vor ihrem Hintergrund oder versteht
was sie sagen könnten. Von den flachen Wäldern der Hardt
haben wir noch die aufsteigende Lust am Zweifel,
der uns Mittags einnimmt im gesiebten
Licht
der Gardinen, ein schwäbisches Verstummen
mitten im Kapitel, Erinnerung an ein Buch des
Dürfens. Von den Wäldern bei Veterano haben wir noch
gehobelte Zeilen, eine Masche, fallengelassen wie ein Viererwort
und ein Ach. Von den wilden
Wäldern
8. Juli 2014 22:32
Hans Thill
Das Leben ist möglich, sofort kann es
beginnen. Mit der weißen Strumpfhose von Psychopolis,
aus viel Milch und ein bisschen Honig, gerade
genug für die Mundhöhle der Mona Lisa, einen hohlen
Zahn des Skaphander. Mit unserer Verbeugung
vor der Leiter zum Bett des Prokrustes, der uns die
Hammelbeine langzieht. Mein Geist ist ein schwarzes Schaf,
ein Windhund, darüber am Himmel Raketoplane, zärtlicher
als die Bienen, die es einmal gab. Wir befinden uns
im Weingarten der Sprache, der Schnee fällt hier mit dem Rücken
zuerst, als wäre er ein blaues Tier. Aha, die Wirklichkeit
haust in den Zimmern (izby), svet heißt die Welt
und Bono heißt Bono. Durch ein Guckloch zu Beerscheba
betrachten wir die einzige Blondine des Neuen Testaments,
Maria Magdalena, versonnen und spitz hantiert sie
das Löffelchen, vor sich Dantes Fußabdruck, gelöst
in einem Glas Wasser
Begrüßungsgedicht für Michal Habaj, Mila Haugová, Rudolf Jurolek, Dana Podracká, Martin Solotruk, Ivan Strpka, Nico Bleutge, Christian Filips, Sylvia Geist, Kerstin Hensel, Christian Steinbacher, Uljana Wolf
26. Juni 2014 11:32
Hans Thill
sie rieseln wie Dreck auf unsere Tischplatte. Trau
keinem Mann mit grauen Schuhen
Von den toten Wäldern bei Freudenstadt
haben wir noch die Hornhaut an den Füßen
und daß wir danach traurig werden
wie unsere Wäsche von vorgestern. Von den alten
Wäldern bei Metzingen haben wir
noch
das Flaschenglas, über das wir liefen
am Vorabend, von den abgeholzten, verfeuerten, rasch zu Asche
gepreßten Wäldern, schneller verwertet als wir
trinken können. Und wir nehmen das
Grundauge
21. Juni 2014 16:41
Hans Thill
und Patronen an der Seite. Auch Frauen
sind dabei, sie singen dieselben Lieder. Von den dunklen
Wäldern haben wir noch die Bescheidenheit
und einen Schluckauf am Morgen,
rasch zu
buchstabieren. Wir trinken jetzt die Schrift,
nachdem wir erwachten unter Flügelpapier, wo man früher
verbotene Wörter fand
13. Juni 2014 13:46
Hans Thill
Von den alten Wäldern haben wir noch
die Finger, zwanzig an jedem Gerät,
um zu wählen und drei in einem nächtlichen Organ
Die Schrift verstummt im Imperfekt,
im Schlaf reißen wir uns die Beine aus.
Während der Baum das Licht liebt und wir noch
Sätze aus Salz reden, sieht er schon die
lange Kolonne der Tanks
und der ganze geschmeichelte
Wald öffnet sich einer Armee. Die Soldaten
haben Flecken am Gebein, Grün an den Helmen.
Sie tragen Namen auf der Brust, Blüten im Mund von einem
geschlagenen Baum
5. Juni 2014 22:22
Hans Thill
man hat dich aus dem dichten
afrikanischen Wald gelockt. Birke und Doppeleiche,
gehegt oder von Tieren zerbissen.
Die Schrift liegt längst hinter dir,
ein Griffel
in einem Leib aus Kreide oder die
Spur der Erschöpfung. Frösche der Erschöpfung.
Von den Wäldern haben wir noch das Moos, das weiche Bett
der Schrift auf einem Augenhintergrund,
grün wie ein Pullover, ein Lorbeer mit
Angsttrieben
29. Mai 2014 10:37
Hans Thill
Von den Wäldern haben wir noch
die Buchstaben. Der ruhige Schritt einer Eiche,
Reisig, das sich öffnet und schließt wie ein Herz,
eine Glastür am Flughafen
Du kaufst eine Zeitung, die Flügel eines klein
gemusterten Schmetterlings.
Draußen vor der Stadt hört man das Stottern der Wälder
Lärm des Alphabets, so auch in den
Zonen das Reden der Frauen, die ihre Duden
zeigen, als wollten sie alles in einem
dunklen Teich waschen. Das Wetter ist
klebrig und klar
21. Mai 2014 16:34
Hans Thill
»heute lernen wir Liederländisch!«
3. März 2014 17:24
Hans Thill
English https://www.facebook.com/eurolution/posts/708520802501602?stream_ref=10
Deutsch https://www.facebook.com/eurolution/posts/708521375834878?stream_ref=10
Polski https://www.facebook.com/eurolution/posts/708521765834839?stream_ref=10
2. Februar 2014 23:42
Hans Thill
von ABDELWAHAB MEDDEB
was sagst du zu unserem schritt
der schwer auf der welt lastet?
weisst du dass die sohle des asphalttreters
funken versprüht schädlich für den baum
aufrecht, kümmerlich in seiner erdscheibe?
hört er den lärm der wälder gefällt
im gas das deinem körper entweicht?
die fabrik ein wiederkäuer wie das vieh
zahlreich auf der wiese wo es grast;
heftig flattert der schmetterling
aus dem unterholz des kleiderschranks
kaschmir mit löchern da und dort
kommt die haut durch durchsiebt der
pullover des verurteilten, den man erschiesst;
sing lieber von der anmut der sonne – wenn sie ihm
die zähmende hand reicht und schenkt
da der granatapfel aufplatzt versengt
von ihr wie die windgebräunten wangen
Barcelona, 26. Dezember 2013
28. Januar 2014 17:51