Sylvia Geist

Von anderswo

In der Auslage der Kurzwarenhandlung hält
eine Prozession Elefanten, Schwarzwaldmädeln,
balinesischer Tänzerinnen. Almdudler umzingeln
die Delfter Windmühlen hinter den Mönchsbergen
der Schneekugeln. Nadeln, Garne, Borten fehlen,
statt Knöpfen sind Köpfe erhältlich, Sissis ganz
natürlich im Romylook, Mozarts auf zwei Tellern.

Hinter Swarowskis, Starbucks´, H&Ms Botschaften
ist das die Wechselstube, die dir den übrigen Schein
aus dem Gedächtnis in härtere Währung tauscht.
Der Kurs ist logisch, enttäuschend und repräsentativ:
Sissi erinnert an Paris, Mozart an eine Reise nach Prag
(auch an Hüftgold), alles ans Typische von sonstwo,
an das du überall kommst außer in einem Geschäft

mit Kurzwaren. Über der Menge, wie sie gestrandet
und vertrieben von den großen Handlungen, hängt
mit Blick auf die Pferdeschwemme ein Einhorn aus
einer violenten Saga – du nähmst es mit, um anderswo
daran zu denken, existierte der Laden noch. Anderswo
ist ein Putsch, eine Sage von Entfernung und Verlangen,
erzählt in der Transitzone (diesmal Salzburg, wirklich

mit Salzach und Burg und den abgesoffenen Gäulen
in den Brunnen), in einer bankrotten Filiale Arkadiens,
versteckt in den vernünftigen Arkaden, die Knöpfe
nicht verkauft, aber birgt, wenn im Näherbedarf
die erloschenen Schubkästen hinter dir wieder
aufgehen, in schöne fremde Münzen für die einen,
für die Konquistadoren in brüchiges Horn.

10. Juni 2016 18:26










Sylvia Geist

Nähen auf salzburgisch

10. Juni 2016 18:26










Karin Fellner

die kleinen Unendlichkeiten im unendlich Kleinen, ohne
Ausdehnung ist der Punkt, sagst du, also der Kopf,
ein elektrifiziertes Gelee, das im System der Verzweigung
sich wieder im System der Verzweigung
findet und nicht einholt:
Stehste anna Ampl, ey Alda, un nix geht!

gestern las ich statt Knast: spreng den Unast im Kopf.
Sprang, weiß nicht wie, in das Überangebot „Laub“,
zog Muskeln der Kehle aus, dieses Spannungsnetzwerk,
dreiblättrig, auch der Hals, lern ich, hat Eingeweide.

10. Juni 2016 08:31










Christian Lorenz Müller

PAUSCHALES BLAU

I

Die Sandsichel schneidet unermüdlich
Garben aus Schaum,
alle andere Arbeit ruht. Die Zukunft
verläuft sich zwischen Tamarisken,
zwischen Schilf. Fernblaue Gebirge
überm wogenden Wasserfeld
und mühlradrunde Steine
auf dem Strand.

Eine volle Scheuer,
steht unser Zelt.

II

Schwemmholz: vom Wasser
weiß gebeizte Knochen.
Ich apportiere drei Handvoll vom Strand.
Bald schon nagt sie unser Feuer schwarz,
das Schwänzeln des Rauchs
rund um den Kochtopf.

Eine angetriebene Schnur
liegt als vergessene Leine im Sand.

III

Wenn am späten Nachmittag
die Glitzerschollen
sich zu Silbereis verdichten,
wenn das Speedboat
zu einem gleitenden Schlittschuh wird
und das Inselchen für Minuten
eisbergblau der Kimm entgegentreibt,
wenn das Sonnensegel
sich nur noch mit brisigem Licht füllt
und du dich voll Erstaunen fragst
wohin die Stunden verschwunden sind,
wenn du für die fernen Berge
keinen anderen Vergleich gefunden hast
als den von durchsichtigen Gletscherzungen
die ihre Farben im Dunst verkalben,
dann wird es Abend.

9. Juni 2016 10:22










Andreas H. Drescher

NACH DEM PFLAUMENMUS

Einerseits das Lebenslängliche als Faden
Um meine Hüfte als
Ein Faden mit sehr glatten Ufern

Andererseits die flotte Luft über mir
Die mir als kalter Vogel
In die Hände fällt

Ich stecke ihn in die Hosentasche und
Mache ihn zum Käse
auch nur zu sehen ist Bevor der erste Riese

3. Juni 2016 21:05










Hendrik Rost

Variation auf ein Thema von Schrödinger

Der Tag räuspert sich
fortwährend, hält
aber keine Rede.
Das Glas, das Glas
ist voller Luft,
ich nehme einen Schluck
aus der Zeitung,
in der ein Fisch
von Meldung zu Meldung
schwimmt. Es grenzt
an Zensur und
Zauberei, Teil

der Lösung zu sein
und Teil des Problems.
Das Wetter von morgen
ist der Katzenzustand
von heute. Für alles

ist der Tag zu haben,
der Tag merkt sich jeden
Hokuspokus.

27. Mai 2016 12:12










Tobias Schoofs

VERMEER

frauengeschichte milch dämonen die
klitzeklein in dieser küche tanzen

wohlverhüllt die euter und das haar
der unterleib in rot und da was unterm
rock erhitzt auch milch und haube und

die farbe blau und eine kahle weiße
wand im hintergrund das fenster links
verrät dann doch was diese küche ist:

das wieder anders ausstaffierte atelier
mit frau und tanzenden dämonen

21. Mai 2016 13:02










Andreas H. Drescher

kleines(s)

Krakelnotiz
DieAlteSchrift

Geständnis eines Doppelpunkt Kindkleines(s) Punkt der Liebe Punkt
Gedankenstrich Epunktkleines(s) Abtreibung
Gedankenstrich Epunkt Klammerauf vom Straßenrand Klammerauf
Noch immer GummiKlammeraufschläuche Klammerzu NureineKlammerzu

Motiv Doppelpunkt Anführungszeichen Unleserlich geritzt KeinAnführungszeichen
Unleserlich in Epunkt Unleserlich zu Unleserlich kommt Unleserlich KeinPunkt

Römischdrei
ArabischEins

JUBELNDE STADT Komma SORGENLOS THRONEND

Npunkt Ypunkt Pfeil Krieg Pfeil Fahnen
Gedankenstrich Captain Unleserlichkleines(s) Rückkehr Pfeil Frisör
Pfeil Mutter plus Epunkt Pfeil Vaterkleines(s) Aufforderung
Mutter Komma vom Krieg zu erzählen

Gedankenstrich GroßesS bringt Epunkt vom Tanzen nach Hause Punkt
Gedankenstrich Epunkt Plus GroßesS Doppelpunkt der Hof mit Kind KeinPunkt

20. Mai 2016 05:24










Gerald Koll

Poesie der Glückskekse

=

18. Mai 2016 10:19










Christian Lorenz Müller

SO ÄUGT NUR EINER (Löwenzahn in Haiku)

So optimistisch
äugt nur einer aus Ecken
voll Unrat und Schutt.

Und seine Blätter
sägen sich durch den Asphalt,
schlitzen das Pflaster.

Gelbgrelles Glotzen
wohin man auch geht. Stickstoff-
vergessenes Grün.

Wieder überrascht
er im Salat: Trotz allem
so viel Bitterkeit.

Und ganz am Ende
pusten ihm die Kinder eins,
der Wind fasst den Flaum.

Die Samen sinken
auf den Asphalt, in Ecken
voll Unrat und Schutt.

17. Mai 2016 08:34