Andreas H. Drescher

DER SÜDEN III

Ein Unhold ist er also geworden, unser Süden. Er war es einfach leid, dieses Gedudel unserer Stand-Musik. So rülpste er Synkopen hinein. So rülpste er noch unserem Lachen Lachen in den Schlaf. Und trug er uns schnarchend in den Vordersteven. So war er der Unhold unseres Abstandes geworden. Lange setzte er uns und setzte uns zu dort unten. Bis wir selbst den Vordersteven noch als Bierbank lernten. So hörte sein Groll nicht auf. Das war sein Vorsprung. Unser Gesang hatte sich bald tot gesegelt unter Deck. Einmal um Sonne und Mond herum. Die letzten Funken. An denen hatten wir uns beiderseits verhoben. Deshalb schaffte er uns das Große Bruchband her. Das Große Bruchband für uns alle, das besonders tief in unsere Leisten drang. In die Leisten unserer Leistungen. Einmal Unhold, immer Unhold, ganz von diesem Bruchband an. Funkenflug als Nachzahlung, Steuernachzahlung der Windrichtung, Nachzahlung des Südens.

5. Mai 2014 07:46










Andreas H. Drescher

DER SÜDEN I

Nun steht der Süden selber auf aus seinen Garben, um uns die Bierbänke unter den Ärschen fortzuziehen. So werden wir zu Helden unserer Fluchten. In Booten aus Garben, Kähnen aus Garben, Dampfern aus Garben, die sich selbst ausbrennen. So kommen wir doch noch unter die Wolken. Als Dampferschornsteinfunkenfunkeln. Steuerbefreit und endlich losgekommen. Das ist er, der gerechte Dank für all die Wohltaten, die wir ihm schon früh erwiesen. Schließlich haben wir aus seinen Garben den Hopfen unserer Altstadtfeste gedroschen. Da sind sie, unsere Deutlichkeit und unsere guten Taten: Bierstände mit und ohne Pfand. War denn der Vordersteven unserer letzten Fahrt schon durch den bauchigen Schein unserer Halbliterhumpen zu sehen? Lag unser Fahrzeug da schon fest vertäut hinter dem Hafenhaferschaum? Vielleicht. Vielleicht war der Bauch des falschen Dampfers unser Bauch. Allein ist unser Bierstandkreis also, vollkommen allein.

24. April 2014 00:37










Andreas H. Drescher

EIN ENORMES PFERD

Ein enormes Pferd
Mit abgeriebenen Augen

Ins Salz seines eigenen
Schattens gestellt

Zwischen all s
eine Richtungen

Der verhärmte Greis darauf
Ist kaum zu sehen

„Was geht über ein grünes Auge?“,
sagt er:„Und ein blindes!“

Das stößt ihn auf Trab
Das stößt ihm auf vor diesem Nichts aus Heu

So ritt er aus
vor Tagen schon

V
O
R
T
A
G
E
T
R
A
G
E
N

2. April 2014 23:03










Andreas H. Drescher

Frühling

Frühling Das Orange
der jungen Amsel
schnäbel als bestünde

es zur Hälfte aus Musik

11. März 2014 09:07










Andreas H. Drescher

SONDERMARKEN

Das Reißen unter meinem linken Schulterblatt war ein sehr frommes Reißen. Bis heute Morgen. Denn von heute Morgen an arbeitet sich das Nicht-mehr-ganz-so-Fromme auf einer Welle aus mittel-hohem Adrenalin durch mich hindurch.

Genau in Richtung dieses frühen Abends, als ich ihren Koffer die elf Stufen zur Post hinauf schleppte. Den Stoff-Koffer, den die alte Dame mit den aufgelösten Haaren auf ein Metallgestell mit zu kleinen Rädern geschnallt hatte.

Oben angekommen, bedankte sie sich nicht, nestelte nur fahrig am leicht verrutschten Expander herum und drehte mir dabei so konsequent den Rücken zu, als wolle sie verhindern, dass ich ihr noch einmal meine Hilfe anbot.

Ich kümmerte mich nicht darum, ich machte mir schon Sorgen um meine Schulter, in der gerade auf der neunten der elf Stufen ein merkwürdig metallisches Springen zu verzeichnen gewesen war.

Schon beim Anheben hatte ich mich verschätzt. Der Koffer war weit schwerer gewesen, als ich erwartet hatte.

Erst nachts begann das Reißen, weckte mich und war selbst auch von drei Aspirin nicht mehr zum Einschlafen zu bringen.

Ich hatte nur diesen einen Trost: eben den, dass es ein frommes Reißen war, eines direkt aus der Menschenfreundlichkeit.

Natürlich war ich ein wenig irritiert, als sie mir noch häufiger mit ihrem Koffer in der Stadt begegnete, aber ich ließ mich davon nicht anfechten.

Bis heute Morgen. Denn heute Morgen war ich gleich nach dem Termin beim Chiropraktiker noch auf der Post, um Sondermarken zu kaufen.

Da zerrte die Alte mit den wirren Haaren ihren Koffer diesmal ganz ohne Hilfe die elf Stufen herauf, und die Postlerin flüsterte:

„Sie nimmt ihre Bücher mit, wenn sie aus dem Haus geht. Aus Angst, die werden ihr gestohlen!“

18. Dezember 2013 10:23










Andreas H. Drescher

ABER DIE NACHT

Als wäre das Geh
ör
auf einmal frei
gelassen
um Zik
ad
en
zu zu
hören
vielleicht auch wen
ig
er
als Zikaden vor der
Stimme als riefe s
ich
ein
er aus aus ihrem Sch
rillen um endlich aus
dem
Takt
zu kommen aber w
elch
em
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in
ten
könnte ein Bach s
ein
ein
gleichseitiger Bach
der
drei
klingt drei klingt drei
kling
t der sich fort w
er
end
selber stimmen muss
Was
für
ein Knirschen aber
vor
dem Ob
erton ein Knirschen
wie
ein
Schuss und dann h
er
aus
geschraubt bis er
tat
säch
lich anspringt

„Schon entlassen… spekuliert… ein Ausbau… der Experten… Klima…
Ökonom… ein Nischendasein… Anteil… Null zu Null… Regenpunkte…“

11. Dezember 2013 23:20










Andreas H. Drescher

Gerhards Dreckiges Dutzend

Ist das nun ein mondsüchtiges Ende? Eines, in dem Gerhard in Dieter, Hildegard in Bärbel – und Dieter und Bärbel in Günther verschwinden, um sich selbst zu zausen? Wahrscheinlich! Denn Gurkenkönig ist doch, wer zuletzt noch steht und fuchtelt! Der Neueste hat also stets gewonnen. Und Ihro Majestät bleibt unbenommen, mitten im Spiel sich selbst als Grotte einzubläuen und zu sich als zu seinen Verschwundenen abzutauchen. Die große Tatenlosigkeit unter dem Fuchteln ist sich also ein ganz neues Yucatán. Vollmond des Einschlags vor dem Schlusspfiff. Erleichert – und doch mit einem Zug ins Melancholische, wie er Mond-Monarchen zusteht. Als Günthers Gutschrift dann.

22. November 2013 16:42










Andreas H. Drescher

Zehn kleine Gerhardlein

die gingen in die Lehre, ja, gingen bei der Leere in die Lehre, als ob sie keine Leere wäre. Sondern ein Atoll, mit ertauchbaren Gesichtern darin, Fischgesichtern, Knochenfisch-Gesichtern, knochendichten Knochenfisch-Gesichtern. Auch die schießen in die Luft, doch ziehen sie weit mehr Meer hinter sich her als jeder Dosen-Schuss halbierten und gepinkelten Vokals. Mit ihren ganzen, gleißenden, geschuppten Körpern springen sie der Luft entgegen, als wäre sie Hildegard, als wäre sie Bärbel – und nicht nur dieses Projektil-Projekt der eingekleinten Gerhards. Weiter steckt sich das nicht, endet in luftiger Atemlosigkeit und plumpst in seine Gischt zurück: als Dieter.

21. November 2013 11:40










Andreas H. Drescher

Gerhards Acht-Verdacht

Doch letztlich waren alle Anwesenden abwesend, garantiert! Hildegard, die erste, die das nicht nur als Gedankenverlorenheit auslegte, begriff es zuerst: Das Überseeische der Mosel kehrte in sich selbst zurück und wurde zur Saar. Genauer: wurde das Liqui-Moly-Lager, das einmal die Saar gewesen war. Öliges Schwappen jetzt in Hildegards Stammhirn. Sehnsucht, Herz aus Sand. Das Überseeische für sie hoch über der Überirdischkeit der Überdachung. Ihre Brut ließ sich den Eizahn wachsen und versuchte, sich aus der Schmiere zu picken. Sinnlose Notate auf der Innenseite der Dose.

19. November 2013 09:39










Andreas H. Drescher

Gerhards Gutschrift 6

Die Hitze war also trinkbar geworden. Durch sie zogen sich die Mangroven in Bärbels Plantagen zurück. Verwandlungen also: allüberall. Doch immer in die falsche Richtung. Selbst Pauls Panther sang sich nun als Pol Pot in die Dornen. Ein hübscher Mann, der „Bruder Nummer 1“, da waren sich die beiden Schwestern einig. Wenn nur nicht gegen jede zweite Staude diese aufgetürmten Totenschädel lehnten. „Gerhards Schädel“, behauptete Hildegard. Doch Bärbels Lächeln wurde steinig, während sie langsam widersprach. „Dieters Schädel!“. Danach stellte sie Hildegard den Grimselpass aus. Noch immer voller Ungeduld und ohne Grimselspaß: Sie hängte Dieters Bärte so lange summend die Scheinstämme, bis sie zu Luftwurzeln geworden waren. Der Gram der brüderlichen Zwerge war ihr inzwischen schon zur linken Hand geworden.

12. November 2013 09:16