Thorsten Krämer

Uff

Frikadellen für Berlin: wir wollten den fremden Bruder
durchfüttern, in keinem der Klassiker war sein schwarzes
Schaf zu finden, eine Nachlässigkeit nur der Gegenwart.

Der Geruch beim Aufblättern der Zeitung war unübersehbar.
Uff, sagte die Mutter, und: Das hat er mit Absicht gemacht.

(für Thomas Maria Malangeri)

13. Mai 2010 18:06










Thorsten Krämer

Es gibt einen Ausweg

Schon seit Jahren gehe er nicht mehr ohne Tür aus dem Haus.
Auf einem Flohmarkt in Prag habe er eine faltbare aus Papier gefunden, die stehe auf seinem Schreibtisch im Büro. In Brasilien produzierten sie welche zum Aufblasen; es gebe sie auch gestrickt, aus Edelstahl, als Reiswaffel zum Essen und mit wärmeempfindlicher Oberfläche, die sich bei Berührung verfärbt. Die Vielfalt sei zwar schön, aber nicht notwendig – vielleicht reiche ihm schon bald eine App, er sei da sehr zuversichtlich.

(für Aléa Torik)

8. Mai 2010 20:03










Thorsten Krämer

Steele, Mississippi

Es ist nur die Sprache, die hier
verfällt, der Rest ist festgehalten auf die
Dauer einer chemischen Reaktion, an deren

Ende Dreck steht, ein unbestimmtes Element.

23. Februar 2010 10:55










Thorsten Krämer

Für Kater Nero

13. Januar 2010 10:38










Thorsten Krämer

Oil Rigs

Die Mensch-Maschine bei der Arbeit: Getriebene des
Glücks, Goldsucher an künstlichen Gelenken. Jedes Zahnrad
eine Geliebte, jeder Tropfen Schweiß eine nicht erneuerbare
Ressource. Tief drinnen das Pumpen, das dein Herz übertönt.

11. Oktober 2009 20:33










Thorsten Krämer

Miami Beach

Dort, auf der Bank, wirst du sitzen
in dem Traum, den ich träumen werde.
                                                                        Heute
ist ein sonniger Tag, ein leichter Wind bewegt
die Blätter der Palmen. Die Promenade ist so schmal
wie das Meer, dazwischen der Strand beinahe
eine Wüste.
                     Schon jetzt nimmt dein Schatten
langsam Gestalt an.

1. Oktober 2009 11:34










Thorsten Krämer

Kolbhalle

Der Schlafmangel, die Vorfreude.

Die endlos lange Gästeliste bei denkbar günstigem Eintritt, die Afrikaner
aus der Nachbarschaft, der Bauwagen, die drei Mann an der Theke, die
alle keinen Plan haben, die Sommerluft, die Couscous-Mädchen
ganz in Schwarz, die Stolperfalle Feuerstelle, die Tische, die
Bänke, und jemand sagt das Wort psychotisch.

Der DJ im Anzug, das Wasser umsonst, der Schäferhund mit dem rot
leuchtenden Auge, das Gerede, das Herumsitzen, das genaue Ausloten
der Schallverhältnisse, die eine Musik, die andere Musik, die Suche
nach dem dritten floor, das Fleisch-Mobile, das Tanzen.

Das Tanzen.

Die Handyfilme, der Engländer, der im Bogen pinkelt, das Betrunkensein
als Kunstform, die erstaunlich bunten Lichter, die Frau, die auftaucht
und verschwindet, das Gewusel, die verbrannte Hand, die Stahltür
unter Strom, und plötzlich stehen da die 80er, mit grauem
Zopf, und sagen: Hier sind ja viele scharfe Bräute.

Das Künstlergefasel, die Beschimpfungen, das Geräusch des Regens
unter den Sonnenschirmen, die Gesichter, die Plastikbecher auf dem
Boden, der Rollstuhl zum Ausruhen, die Soba-Mädchen ganz in
Schwarz, das immer allmählichere Vergehen der Zeit.

Die Gegenwart, das Wachsein.

(für Christian Bernhardt)

13. August 2009 10:46










Thorsten Krämer

Interiors

Die Technik überwiegt in diesem Raum. Rechter Hand ein niedriges Fernsehregal; jedes der vier Fächer ist mit einem Gerät belegt: VHS-Rekorder, CD-Player, DVD-Rekorder, Cassettendeck. Selbst auf dem Fernseher (ein altes Röhrengerät) steht noch der Receiver, auf dem Boden davor liegen die Controller einer Playstation. Zu beiden Seiten Lautsprecher auf silbernen Metallsäulen. Linker Hand der Arbeitsplatz, mit Kunstlederdrehstuhl, Rechner, Monitor und Telefon. Dahinter an der Wand ein Buchregal, in dem nur wenige Anleitungen und Handbücher stehen. Der Elektronikpark beherrscht den Erker dieser Altbauwohnung; durch die im stumpfen Winkel zueinander stehenden Fenster fällt das helle Morgenlicht – zumindest dort, wo die Jalousien nur zur Hälfte herab gelassen sind. Inmitten der Geräte, die fast durchgehend in Schwarz gehalten sind, steht auf einem kleinen Tisch eine Topfpflanze, eine Art Azalee. Um den Topf herum einige Steine, als hätte der Bewohner (kaum vorzustellen, dass hier eine Frau wohnt) einmal in einer schwachen Stunde einen flüchtigen Blick in einen Feng-Shui-Ratgeber geworfen. An der Wand gegenüber ein altes Sofa, in pflegeleichtem Grau gehalten. Die Zeit vergeht hier sehr langsam, aber sie vergeht.

21. Juli 2009 15:17










Thorsten Krämer

Interiors

Nennen wir es eine fraktale Ästhetik, dieser bis ins Kleinste verfolgte Wille zum Design, die immer neuen Oberflächen. Die Kippschalter aus Bakelit, die Tischlampe im 70er-Jahre-Orange, der Plattenspieler, dessen Optik noch aus einer Zeit stimmt, als Scratching gerade erst erfunden wurde. Auf dem niedrigen Regal ein großformatiges gerahmtes Plakat, das den Elvis-Kult ins Pixel-Zeitalter überführt: verschiedene Plattencover, aufgelöst in Farben und Bildpunkte, übertragen auf neue Produkte wie Schachteln und T-Shirts, irgendwie cool und irgendwie clever. Dahinter der Sichtbeton, davor das Fahrrad als Kunstgegenstand, mit abgeschraubtem Sattel und Schottenmuster-Hülle für die Mittelstange. Durch die Speichen hindurch sind die Bücher im Regal sichtbar: Bildbände über Design und moderne Architektur, die passenden Zeitschriften ordentlich gesammelt in neutralen Pappschubern. In einer der nächsten wird auch dieser Raum enthalten sein.

11. Juli 2009 12:49










Thorsten Krämer

Cade’s Cove, Great Smoky Mountains

Adlerauge vs. Weichzeichner, die assemblierte Landschaft
beruht auf Mischtechniken: Nach hinten raus gerissene
Papierstreifen vom Bastelblock, im Vordergrund Foto-

Realismus. Jeder Baum ein Déjà-vu, die Vögel dort zwei
Flecken auf dem Objektiv. Ein Katalog von möglichen
Perspektiven blättert sich auf, das Alleinstellungsmerkmal

bist du.

25. Juni 2009 21:19