Markus Stegmann

Bist

Wenn du Teufel
bist
verzehr ich mich.

19. Juni 2015 22:08










Tobias Schoofs

FRONLEICHNAM

die bedeutung ist gekommen
eine leiche die nicht sterben kann

tauben gurren auf dem fensterbrett
tuscheln: die leiche wird an land
gebracht. ich warte stundenlang.

ich weiß die tauben gurren noch:
sie spricht jetzt mit dem bürger
meister · verhandelt ein ernstes

geschäft. wann endlich kommt sie
und klingelt an meiner tür

15. Juni 2015 22:51










Hendrik Rost

Vita brevis

So alt wolltest du nie werden – alter ego.
Erinnere dich an Jeanne Calment, ältester Mensch
aller Zeiten. Sie starb 1997 mit 122 Jahren.

1889 begegnete sie als 14-Jährige dem Maler Vincent
van Gogh. Er erwarb in dem Laden, wo sie verkaufte,
neue Farben. Nach ihren Aussagen stand sie einem trüben,

schlecht gekleideten und ungalanten Kerl gegenüber.
Jetzt aber ist die Zeit wie in einem Jubeljahr
zu jedem halben Jahrhundert, in der Getrennte vereint werden,

Sklaven entlassen und alte Schulden getilgt.
Noch vor 10.000 Jahren wars, als jeder Erdenmensch
im Schnitt kaum älter wurde als 10 oder 12. Mit Leib und Seele

jagten und sammelten sie Erfahrungen und verstauten sie
tief in den Genen. Das sind mit Adam und Eva
nun wir, mit Lust und Laune. Ganz ohne Mystik –

länger zu leben als die 50 Tage von Ostern zu Pfingsten,
ist schon eine Gabe. Länger als eine Zigarette,
die Jeanne erst mit 119 aufgab. Du bist nicht so weit,

nichts zu wollen. Vincent hat Jeanne übrigens nie erwähnt:
„Wir stehen vor dieser Tatsache“, schrieb er Bruder Theo,
„meinem Vorsatz, tot zu sein für alles außer meine Arbeit.“

Einem Freund zur Feier

9. Juni 2015 07:58










Thorsten Krämer

Z-Boy Hop

Kein Affe lebt ewig. Eine bruchstückhafte
Kombinatorik, die Lücken im Alphabet
korrespondieren mit den Rissen im Farbband.

Immer der Hang zum Konkreten, anschaulich
gemachte Probleme. Daher der Wert der
Unendlichkeit: Sie erklärt auch das hier.

7. Juni 2015 23:08










Christian Lorenz Müller

Efeu

Anfangs nur ein grüner Schatten
den der Sommer an die Wand warf.

Drei Jahre später saß er breit
auf dem Verputz, auf einer Sandbank
und äugte mit ersten Beeren
zu mir herüber. Zum Kaiman geworden,
glitt er fortan die Fassade  hinauf,
schnappte das Licht von den Fenstern
und zog die Laterne ins Dunkel.
Ich nahm die Gartenschere,
schnitt ihm Kämme vom Leib,
doch er schwänzelte ungerührt
bis hinauf in den Dachstuhl
und plünderte das Weiß
der Satellitenschüssel.

So griff ich zur Axt. Sein Leder
lag noch für Monate
grünschimmernd im Garten;
die Krallenspur
geht noch heute übers Haus.

4. Juni 2015 16:56










Tobias Schoofs

KONSTELLATIONEN

konstellationen aus wörtern
aus phrasen aus tönen
aus ikonographischem erbe

du stellst sie zusammen
horchst auf effekte
klopfst immer wieder und

horchst – du folgst nicht
dem sinn du folgst einer spur
einer logik dem rhythmus

dem erbe das um dich ist
und in dir ist ein drängen
ein gefühl

30. Mai 2015 12:50










Hendrik Rost

Handhabe

Jetzt noch glauben an die Kombination im Innern.
Jetzt noch eine Nacht dazwischen liegen lassen.
An Zeit glauben, die über Ozeane streicht,
und dazwischen eine Nacht liegen lassen.
Daran glauben, an Metaphern und an Steinzeit,
den Zahnlosen, der das Werkzeug Ich entdeckt.
Vor allem glauben an das Gelb der Wespen,
an das Schwarz, das als Nacht dazwischen liegt,
an den Stich glauben, an Strich in der Landschaft,
Sticheln im Rachen. Eine Nacht verstreichen lassen.
Jetzt noch glauben an Erwägen. Dann weltumgoldet:
der Entschluss. Eine Nacht dazwischen lassen.
Am Morgen an Material glauben, Magritte, an Stil
als Projektil, an seine Reise durch die Nacht.
Noch glauben, dies ist die virtuose Zwischenzeit,
glauben an das neue Joch. Keine Routine lassen.
Jetzt. Und sichere Nächte keine. Keine Methode.

21. Mai 2015 15:46










Tobias Schoofs

SPUCKE

die sonne steht über dem seiten
rand wie sie über dem meer steht
diese zeilen schreiben oder ins meer
spucken: das ist in etwa das gleiche

lies du diese zeilen und wenn du
das meer siehst: denke an mich

18. Mai 2015 16:38










Markus Stegmann

Ich lag im Gras bei Essertfallon

Ich lag im Gras bei Essertfallon
endlose Butterblumen als Butterblumen
in unseren Himmel sickerten ins Blut
durchs Tal und versteck dich
wo bist du warum
verrinnen wir in der Wiese
fotografierter buchstabierter Morgen
nochmal Morgen
schwimmst du raus in den See
ins klare Wasser
schreibst du
und heut ist weisst du wie das ging
alles verhing weiss nicht
warum nur legte ich meinen Arm
nicht beim abendlichen Licht
der Alpen
ans Ende der Welt

Ich lag im Gras bei Essertfallon und
dachte an dich
Ich lag im Gras bei Essertfallon und
du lagst neben mir

Um wenigstens
auf der Festplatte
der blauen Rettung
deine Worte
zu löschen

15. Mai 2015 21:01










Thorsten Krämer

Vier Tage schulfrei:
Der Schweißgeruch der Kinder
durchquert die Wohnung.

14. Mai 2015 14:49