Markus Stegmann
an versen wer
am linienlicht
den dolch den
herzsporn der finger
ins ausreisen wir
aus tapeten ein
so und dann
legen wir deinen arm der
in weitem bogen
aus kinn erzählte
eine magensicht hatte
im licht im gleichschritt
liessen die das
am besten
kapitän aus schiff
getrocknete und
im bindemittel hoben sie
wie harfen
fassten an
dann tranken sie
wir gehen ab
bananen blinder sand
oder ein fell als
sense weiss ich
nicht
kamen die anders
dran als wir mit
reishänden rändern
aus trockenen kindern
aber das dachte ich
nur sah sie nicht
du kapitän aus schiff
wir trennten papier von
salben und fingern
rutschte dann in weissen
leinen ins meer
8. Mai 2011 22:40
Andreas H. Drescher
Johlend machen die Kin
der mir vor wie ihr Nach
bar abgeholt wird ein ge
w i e s e n
Sein Spucken Sein
Zerren an der Fix
i erung Sein Er
s t a r r e n
Eines von ihnen hat
sogar zwei Knöpfe s ein
es Hemdes gefunden
4. Mai 2011 17:33
Mirko Bonné
Mit dir in der Wüste –
Mit dir Durst im Rachen –
Mit dir durch den Tamarindenwald –
Endlich – Leopardenfauchen!
Emily Dickinson
*
3. Mai 2011 14:03
Hans Thill
1
und unter Bäumen spreche ich, wenn die Luft
ein nasses Ohr ist, das sich schließt. Ich rudere
mit den Armen in diesem See.
Ich trage das Bewegliche in meinem Gehör
2
Gegenstände und ihre Haut. Die Sonne ist ein altes Gewürz,
das man tunkt. Ein Sessel fährt in Zeitlupe durch
das Zimmer, in dem ich sterben werde.
Nacht? Wachs?
3
Die Amis beim Lügen erwischt. primum pater noster.
Petronius der Öltrompeter. Polisario im Kampf für
Höflichkeit zwischen Wüstenbewohnern. Ich spreche
beim Rasieren, den Blick in die Pfütze gerichtet (Ponge).
Bisquit Fisch Whisky? Namen Gebell. Präsidenten.
Ich sage das Wort, das seine Flügel faltet
4
Spamerika das Schinkenland. Wir liegen unter einer
Douglasie. Wir kämpfen gegen die Schlaraffen. Wir zittern
mit den Händen. Wir wandern aus. Die Luft ist eine Spirale
um das Auge im Kern
5
Der Fiebermonat Februar. Donnerstag kommt mit
einem traurigen Tau im t. Wir liegen im Hanf. Wir
reden noch beim Atemholen. Sterbende Klicksprachen.
Ich brauche kein Fieber, keinen Vater, der mich braucht.
Die kleinen Fasern, mit denen wir ans Fleisch gefesselt sind
6
Wir kämpfen gegen die erfinderischen Affen von Korinth.
Äpfel, dröhnende Länder (Kolbe). Das drohende Wort?
Wachs. Vallejo. Unsere Waffen: Schild Erz Erzählung.
Wir zählen
7
Das süße Wort. Sprache: Verschwinderin. Und im Freien
spreche ich, wenn. Der Marmor meines Gehirns. Die Wiese,
ein Satzzeichen. Der Teich, eine Zielscheibe. Die Scham.
Fliegt auf ein Rudel Schmetterlinge
8
Wäre. Fieber. Nahrung. Petroleum. Bücher. Speck
2. Mai 2011 08:44
Sylvia Geist
die glieder
eins zwei gefaltet liegen bleiben in der anatomie
einer einfachen blume oder in der nachahmung des beginns
mmmmohne fingerabdruck ohne unterscheidbare züge um die eigene mitte
gefesselt das auszählen abwarten joch und mond drei vier
mmmmdie bis zu den gräten des gehörs nummerierten schlüssel
gebeine markieren wo was verbunden werden soll.
von innen
besehen sind die brüche klar die knochen transparente
relikte auf der schiene die nur eine richtung erlaubt
mmmmüberholt: völlig durchleuchtet ist eine linie die andere wert
nicht zu fassen und jeder vollständige satz gelenke bedeutet
mmmmschon einen künftigen unfall der wachstum simuliert was sonst
hätte uns austreiben lassen was sonst versucht:
abtauchen vielleicht
zu den nassen schatten aus der art schlagen
nicht unverdauliche perle einer ins restlose gezogenen nahrungskette mehr
mmmmsein sich lösen ganz gelatin das gesicht ein überschuss
der zu entwickeln gewesen wäre abgelegt eine eiweise schlupfhülle?
mmmmim thallus der braunalge wachsen gegenmittel zum gedächtnis an
prophezeihungen die zu erfüllen keiner sich weigert.
(2003/2011)
28. April 2011 09:30
Andreas Louis Seyerlein
8.32 – Im Zuckerwarenladen in der Manoelstreet No 15 pendelt über der Ladentheke ein hölzerner Käfig, nicht größer als ein Schuhkarton, in dem sich ein Stieglitz befindet, ein Männchen genauer, das bis in den Abend hinein, ohne je eine Pause einzulegen, sofort mit der Öffnung des Ladens gegen acht Uhr morgens zu singen beginnt. Das ist eine Art von Gesang, die kaum in Geräuschwörtern wiedergegeben werden kann, ich höre ein dududide oder ein didididu oder ein tschirrrzid. Der Käfig hängt dicht unter der gewölbten Decke. Er scheint sich stets in leichter Bewegung zu befinden, obwohl kein Windzug zu spüren ist in den schattigen Räumen. Eine schläfrige Frau sitzt dort hinter einem Tresen von Glas, unter dem mit Whiskey, Pinienkernen und Kirschen gefüllte Pronjolatataschen sorgfältig gestapelt lagern, Kastanientorten, Orangenkuchen, kandierte Früchte aller Art, und darüber eben jener Vogel, der unentwegt jubiliert oder nach Hilfe ruft. Er sitzt auf einer Stange immer an derselben Stelle, dreht oder neigt ein wenig seinen Kopf zur Seite hin und scheint die Bewegung seiner Wohnung in der Luft, allein durch die Vibration seines Körpers im Gesang hervorzurufen. Manchmal verschließt der Vogel mittels eines silbernen Häutchens, das weitgehend durchsichtig sein könnte, ein Auge. Nach ein oder zwei Sekunden nur ist er wieder zurück. Er scheint aufmerksam zu beobachten wie ich in mein Notizbuch notiere, was ich von ihm höre. Ein sanfter Irrer.

10.18 – Kurz nach 10 Uhr morgens sind heut ein paar seltsame Dinge geschehen. Ich saß auf einem schmalen Balkon in angenehmster Luft und hörte dem bezaubernden Gesang eines nicht sichtbaren Vogels zu. Eine Fähre, vielleicht von Sizilien her, kreuzte indessen den Ausschnitt des Meeres, den ich von meinem Stuhl aus wahrnehmen konnte. Sobald sie verschwunden gewesen war, öffnete ich die Times vom Vortag und las, dass noch immer nicht bekannt geworden sei, wo der chinesische Künstler Ai Weiwei gefangen gehalten wird. In Japan versuchte man weiterhin unter höchster Gefahr in verseuchtem Gebiet, Opfer des Tsunami zu bergen. In diesem Moment öffnete sich ein Fenster jenseits der Straße, eine Frau, deren Gesicht schneeweiß gewesen war, starrte mich für einige Sekunden an. Das war ein merkwürdiger Blick, ein Blick, als ob sie mich in diesen Sekunden mit ihren Augen fotografieren würde. Bald zog sie ihren Kopf wieder zurück in den Schatten des Raumes, um kurz darauf wiederzukehren mit einem Korb in der Hand, der an einer Schnur befestigt war. Sie seilte den Korb zur Straße hin ab, sah mich in dieser Bewegung wieder fotografierend an, beobachtete demzufolge wie ich ihrem Korb mit den Augen folgte. Vor dem Haus weit unter uns wartete ein Briefträger. Der junge Mann entnahm dem Korb ein Schriftstück und legte stattdessen eine Flasche hinein. Unverzüglich holte die Frau den Korb wieder zu sich nach oben. Kräftige Bewegungen ihrer dürren Arme. Auch ihre Arme waren so strahlend weiß, dass ich den Eindruck hatte, sie wären aus Licht gemacht oder von der Einsamkeit des Zimmers.
> particles
17. April 2011 03:26
Mirko Bonné
Ich glaub, die Welt ist kurz –
Und Kummer – absolut –
Kaum wem geht’s gut,
Ja, und das heißt?
Ich glaub, wir könnten sterben –
Was noch so voller Leben
Bleibt dem Verfall ergeben,
Ja, und das heißt?
Ich glaub, im Himmel droben –
Wird alles aufgewogen –
Neu ein Vergleich gezogen –
Ja, und das heißt?
Emily Dickinson
*
12. April 2011 12:12
Sylvia Geist
„Nachdem ich wusste, daß ich zu wenig Streptomyzin bekam, eine lächerliche Menge und also soviel wie gar nichts, hatte ich einen Vorstoß bei dem Triumvirat unternommen, wurde aber sofort abgewiesen, meine Forderung bezeichnete man als Unverschämtheit, ich wisse nichts, sie wüßten alles, während ich selbst damals bereits, weil es ja meine Existenz betroffen hatte, nicht mehr der Dümmste auf diesem Gebiete der Lungenheilkunde gewesen war und genau wußte, daß meine Behandlung eine größere Menge Streptomyzin erforderte. Ich bekam sie aber nicht, weil ich gesellschaftlich eine Null war. Andere bekamen, was sie brauchten, sie hatten die Reputation, die Fürsprache, einen Beruf, der mehr Eindruck machte. Das Streptomyzin wurde nicht nach der Notwendigkeit ausgegeben, sondern nach den schäbigsten Gesichtspunkten, die sich denken lassen. Nicht ich allein war im Nachteil. Es gab die Hälfte der Bevorzugten, und es gab die andere Hälfte der Benachteiligten.“
Zur Vermeidung von Missverständnissen: Der Textauszug ist Thomas Bernhards autobiographischer Schrift „Die Kälte. Eine Isolation“ entnommen. Darin beschreibt er seine Erfahrungen in einer österreichischen Lungenheilstätte um das Jahr 1950 herum.
Thomas Bernhard: Die Kälte. Eine Isolation, dtv, 2011
11. April 2011 12:04
Thorsten Krämer
4. Zur gleichen Zeit, in einem
parallelen Universum: Prozessarbeit, finale Vorbereitungen
für den Äonenwechsel. Schütteln, Tanzen. Der Atem hält
die Welt in Schach. Sitzen, Schweigen. Erst letzte
Woche war ich ein Sternennebel.
Das fortgeschrittene
Bewusstsein beendet seine Liaison mit dem Schmerzkörper.
Das Tolle daran: alles wird gut, jetzt. Der Kosmos lächelt zurück.
8. April 2011 17:35
Mirko Bonné

Hongkong, China, im April 2011. Ai Weiwei, Künstler, Regimekritiker und seit kurzem Häftling, hatte vor, von Hongkong aus in die Bundesrepublik zu fliegen, um hier ein Atelier zu beziehen, in dem sich ohne Repressalien arbeiten ließe.
Das Foto schoss Helga Tassonyi.
*
5. April 2011 08:56