Weiß und braun sind die Farben des Paradieses. Wie weicher Kakao mit einem Turban aus Sahne sieht es aus, und es schmeckt nach gutem Film aus einem Spitzenjahrgang.
In Berlin wird es wahr, das Paradies, in Berlin, der Staubstadt und Zeitfressmaschine, im Mundgeruch-Moloch, in dem am Tag die Löffel zum Takt des Mischmaschinenmotors im Kaffeeglas klingeln. Doch es ist Nacht geworden und warm wie Kakao. In Regalen stapelt sich die Zeit, man kann sie zupfen: Frankreich 1973.
Ein blasser Gott regiert das Reich der Zeit, das Negative-Land heißt. Er schweigt, fragt man nach Bdelliumharz und Karneolsteinen. Will man aber „La Maman et la Putain“ von Jean Eustache, in dem in Schwarz und Weiß die Liebe und das Leben einander müde reden, bis Jean-Pierre Léaud um Gnade winselt, weiß der Gott aus seinem Kopf, dass auf dem Band die ersten vierzig Sekunden fehlen, zugegeben: fünfzig.
Treibt dich draußen der Pischon nach Osten, wird es wieder warm und braun und weiß, cremig weiße Stühle stehen da, Kakao liegt matt in Glas und Becher, Kakao gestreut auf Brot, kakaobraun ist die Haut schöner Schultern aus Paris.
Am schönsten an diesen Pariserinnen ist, dass sie kein französisch können, sie führen stummen Dialog mit dem Ambiente. In Paradiesen fehlt der Reiz, hier jedoch geht ein Schamane ein und aus, mit Sofakissen auf dem Kopf, er spricht besetzte Tische an, singt für sie Lieder, ist Schlangenbeschwörer und farbiger Klecks.
Im kakaobraunweißen Paradies bestellt ein Mann der Frau und sich je einen Cuba Libre. Schon geht die Nacht zur Neige. Der Wirt ist höflich, er gewährt die letzte Runde. Es wird halb drei. Die entzückende Bedienung zückt das Portemonnaie. Hat es geschmeckt?
Höflichkeitshalber bemerkt der Mann, die Ehrlichkeit gebiete das Geständnis, sein Cuba Libre habe nicht geschmeckt.
Höflichkeitshalber sagt die Bedienung, es läge vielleicht an der ungewöhnlichen Cola. Ja, diese Cola ändere wohl den Geschmack.
Höflichkeitshalber sagt der Mann, nein, die Cola sei bestens, wirklich, es läge vielmehr an dem Rum, ja, es sei der falsche Rum gewesen, nur als Hinweis.
Höflichkeitshalber flankiert die Frau des Mannes, es sei ja so, dass der Cuba Libre mit sechs Euro auch nicht eben billig sei.
Höflichkeitshalber sagt die Bedienung, es sei vielleicht ein anderer, sicherlich nicht ein schlechterer Rum verwendet worden, und die Zubereitung sei mit diesem wie mit jenem Rum die gleiche.
Höflichkeitshalber ergänzt die Frau es Mannes, sie hätten drüben in der Bar, gleich schräg dort gegenüber, soeben einen billigeren und, nichts für ungut, besseren Cuba Libre getrunken.
Höflichkeitshalber fragt der Wirt, was es mit dem Rum denn auf sich habe. „Havanna Club“ gehöre in den Cuba Libre, sagt der Mann und fragt höflich, welcher Rum sich denn in diesem sogenannten Cuba Libre befunden hätte. Havanna Club? Der Wirt, er lacht. Seine Marke, wehrt er höflich ab, würde ihm, dem Mann, sicher nicht viel sagen.
An dieser Stelle, eigentlich zu spät, hört die Höflichkeit auf, Worte plumpsen wie weiche Äpfel. Ins laue Blau der Dämmerung schwanken die Vertriebenen.
3. Februar 2009 21:15