Christian Lorenz Müller
Der kahle Baum vor dem Display,
vor der Fensterscheibe:
Unverwechselbarer Fingerabdruck
einer Linde.
Ein Gedicht öffnet sich
während der Zug anfährt,
die Landschaft zu wischen beginnt.
Dunkelnde App
eines Dezemberabends,
das Blinken des Bildschirms
oder das von Straßenlaternen,
dann das Google-Weiß einer Wiese
auf der noch Schnee liegt.
Kurz der Wunsch
etwas auf den Eingabebalken
eines Feldwegs zu schreiben, vielleicht
„Romantik im zeitgenössischen Gedicht“,
bevor ein Regenschauer
das Display spidert,
bevor es schwarz wird
weil der Zug
im Waldesdunkel stehenbleibt.
6. Februar 2019 18:07
Konstantin Ames
Zuchttauben tropfen von den Drähten. Das nennt
Feinsinniger Regen tropft aufs äußere Tier. Das nennt
Geld, Charles, verdummt Dichter. Nennt das
Schenke. Vor allem schenke aus. Das nennt
Techné: penisbeinernes Dorf ohne Außenseiter. Nennt das doch
Rabe, ey, knabbernder Rabe, ey, futtert deine Hosen. Das nennt
Kerndörffer die Lehre vom Kleister. Das nennt
im gelben Winter man man. Das nennt
man Versschinden (weiß) im Grenzland. Das nennt
Ornament.
30. Januar 2019 17:49
Julia Trompeter
Milchschorf, der unter den Nägeln hängt,
bange Bitten zwischen ungeweinten Tränen,
nicht geschlafene Nächte – und Tee, der
auf Zedern quellt und Blicke lenkt,
und das letzte Mal ist lange her.
Nirgends ein Zipfel mehr von dir,
nicht mal das ungemachte Bett, auch nicht
mein ungemachtes Haar, das Textchen hier,
der Anrufantwortpiepton schweigt, der Schlingel –
nur bei den Nachbarn ist noch Abendbrotverzehr.
Ich hab den Alltag in der Poesie verloren,
ich hab als Mutter keinen Sinn für die Natur,
es ist im Schornstein noch kein Qualm geboren,
ich bin so müd, ich glaub, ich träum das alles nur.
27. Januar 2019 20:08
Tobias Schoofs
leonardo erklärt den vetruvischen mann
und niccolò staunt als cesare den raum
betritt wird geschwiegen leonardo sagt
er bring uns die pläne und sie studieren
stadtbefestigung und niccolò zieht sich
zurück und bewundert im schatten der
schwärme von fliegen vorm fenster die
methoden des principe leonardo geht
später spazieren wo es weniger stinkt
und zeichnet vogelschwärme im flug
20. Januar 2019 20:47
Christine Kappe
Auf dem Weg zur Arbeit
im Dunkeln
philosophiert
Warum sterben wir
Wenn wir nicht stürben
wäre an uns doch irgendsoeine Art Leine
die uns mit ewigem Leben versorgt
Und die würde beim Radfahren stören
17. Januar 2019 21:15
Christian Lorenz Müller
Die Beete schieben sich
wie weiße Schollen gegen den Zaun.
Schneedruck lässt die Spanten
der Gartenhütte knacksen.
Kieloben treibt sie
als verlassenes Schiff
durch den Abenddämmer.
Weiß verwehte Bullaugen
aus Eis in den Regentonnen.
Eine lebensfeindliche Umwelt
für Erwachsene. Die Kinder hingegen
verschwinden in Schneelöchern,
tauchen hinab
zu den üppigen Fischgründen
ihrer Phantasie
oder suhlen sich voller Lust
auf den kalten Schollen.
Im dichter fallenden Weiß
schimmern die nahen Straßenlaternen
polarlichthaft. So driftet der Garten
dem nächsten Tauwetter zu.
14. Januar 2019 12:12
Mirko Bonné
Immer wollte ich
mit den Schatten reden,
sie aber, diese Spiegel in der Nacht, sagten
nichts, raunten bloß wie ich und
zuckten herum im Dunkeln.
Unter den Espen
die Schatten, und über den
Schatten die Zweige, dazwischen, vielleicht
im Licht, war ich, und zu Haus in
meinem Bild ein Funkeln.
*
13. Januar 2019 12:35