Julia Trompeter
Immer kein Telefon
Milchschorf, der unter den Nägeln hängt,
bange Bitten zwischen ungeweinten Tränen,
nicht geschlafene Nächte – und Tee, der
auf Zedern quellt und Blicke lenkt,
und das letzte Mal ist lange her.
Nirgends ein Zipfel mehr von dir,
nicht mal das ungemachte Bett, auch nicht
mein ungemachtes Haar, das Textchen hier,
der Anrufantwortpiepton schweigt, der Schlingel –
nur bei den Nachbarn ist noch Abendbrotverzehr.
Ich hab den Alltag in der Poesie verloren,
ich hab als Mutter keinen Sinn für die Natur,
es ist im Schornstein noch kein Qualm geboren,
ich bin so müd, ich glaub, ich träum das alles nur.
Tobias Schoofs
IN IMOLA
leonardo erklärt den vetruvischen mann
und niccolò staunt als cesare den raum
betritt wird geschwiegen leonardo sagt
er bring uns die pläne und sie studieren
stadtbefestigung und niccolò zieht sich
zurück und bewundert im schatten der
schwärme von fliegen vorm fenster die
methoden des principe leonardo geht
später spazieren wo es weniger stinkt
und zeichnet vogelschwärme im flug
Christine Kappe
philosophiert
Auf dem Weg zur Arbeit
im Dunkeln
philosophiert
Warum sterben wir
Wenn wir nicht stürben
wäre an uns doch irgendsoeine Art Leine
die uns mit ewigem Leben versorgt
Und die würde beim Radfahren stören
Christian Lorenz Müller
SCHOLLEN (GEDICHTE AUS DEM GEMEINSCHAFTSGARTEN II)
Die Beete schieben sich
wie weiße Schollen gegen den Zaun.
Schneedruck lässt die Spanten
der Gartenhütte knacksen.
Kieloben treibt sie
als verlassenes Schiff
durch den Abenddämmer.
Weiß verwehte Bullaugen
aus Eis in den Regentonnen.
Eine lebensfeindliche Umwelt
für Erwachsene. Die Kinder hingegen
verschwinden in Schneelöchern,
tauchen hinab
zu den üppigen Fischgründen
ihrer Phantasie
oder suhlen sich voller Lust
auf den kalten Schollen.
Im dichter fallenden Weiß
schimmern die nahen Straßenlaternen
polarlichthaft. So driftet der Garten
dem nächsten Tauwetter zu.
Mirko Bonné
Zu Haus in meinem Bild
Immer wollte ich
mit den Schatten reden,
sie aber, diese Spiegel in der Nacht, sagten
nichts, raunten bloß wie ich und
zuckten herum im Dunkeln.
Unter den Espen
die Schatten, und über den
Schatten die Zweige, dazwischen, vielleicht
im Licht, war ich, und zu Haus in
meinem Bild ein Funkeln.
*
13. Januar 2019 12:35Mathias Jeschke
Nachts am Sonar
Ich bin der Wal deiner Träume. Ich verwirre
mich jedoch immer wieder im Geflecht
langsamer Gefühle, diesen Netzen, denen
wir beide nicht gewachsen sind, du liegst und
vielleicht schläfst du, ich aber sitze mich hier
zuschanden, das Wasserglas immer am Mann.
Nie hat mich keiner gefragt, wie wohl mir ist
am Abend. Ich schwimme hinaus, eigentlich
nur auf der Suche nach dem Punkt, der richtigen
Stelle, an der ich gut die Wasseroberfläche
durchbrechen kann, um zu springen. Wohin
denn sonst! Wenn ich zurück ins Wasser falle,
dringe ich ein in deinen Schlaf und du wirst
unruhig. Ich aber sinke hinab, weit unter deine
von den Rettungskreuzern bereits geortete
Position, in das gnädige Dunkel, das mich erinnert
an die Regionen jenseits der beleuchteten
Zentren auf den Bildern Rembrandts, die vom
Anglerfisch bewohnte Tiefsee, dieses Dunkel,
das nur mir gehört, solange ich weiter schweige.