Christian Lorenz Müller
Langsam verlanden die Farben,
das Jahr zieht sich zurück.
Schlickiger Nebel,
Tage ohne festen Grund.
Hie und da nur
zappelt ein Sonnenstrahl
in einer Pfütze.
Irgendwo, ganz fern,
das Rauschen der Stadt.
Du wohnst in einem
kantigen Leuchtturm
mit blinder Linse.
Wenn du hinausgehst
muscheln Silben im Laub.
7. November 2017 18:39
Christian Lorenz Müller
Das rote Schwänzeln
des wilden Weins. Ein Windstoß
und er verschwindet.
Keine Radfahrer,
Scheren blitzen. So lassen
die Hecken ihr Laub.
Nur für Sekunden
ein gelber Wind im Park. Die
Ahornfarbe: Kahl.
Als Zigaretten-
glut steht die Buche. Noch ein
Lungenzug Herbstluft.
Die Kehrmaschine
quirlt die Blätter. Wie schön doch
die Farben schäumen.
Das frisch gespülte
Glas der Luft. Lippenstiftrot
leuchten die Blätter.
19. Oktober 2017 10:10
Christian Lorenz Müller
Jeder Dichter ist seines eigenen Glückes Schmied,
aber ganz besonders der, der sich nicht scheut,
jederzeit zum Hammer zu greifen.
Ein Dichter sprach gerne über „abgehalfterte Kollegen“.
Er selbst tat nichts lieber, als sich ordentlich
ins Geschirr zu legen.
Am Anfang war das Wort, und das Wort war beim Dichter;
am Ende stand ein Werk, es war für Germanisten.
9. Oktober 2017 09:15
Christian Lorenz Müller
Die Schaukel im Park
als Pendel einer Standuhr
deren Zifferblatt niemand vermisst.
Der Augenblick, in dem die Fahnen
sich zu Spiegeln verwandeln
und das Gesicht des Windes zeigen.
Die Kreissäge, die ein Wochenende lang
am Ausleger eines Baukrans hängt
wo sie die Wolken teilt.
Das Licht, das in Scherben geht
wenn ein Glas zu Boden fällt.
28. September 2017 10:39
Christian Lorenz Müller
Dieses Gedicht hat große Angst
erwischt zu werden: In seiner Tasche
versteckt es ein Regentonnen-Teleskop,
das es in der Nacht
gern zum Himmel richtet.
Genau, es geht dem Gedicht um die Sterne,
die in der stets frisch geschliffenen
Wasserlinse zu sehen sind,
peinlicherweise bis zum Tausendfachen
poetisch vergrößert.
„Das ist Eskapismus, ausgerechnet in Richtung All“,
flüstert verschämt das Gedicht.
Es weiß um den Wasserstoff,
weiß, dass seine Metaphern
spätestens in zwei Milliarden Jahren
komplett verglühen werden,
und doch zieht es Nacht für Nacht
heimlich das Regentonnen-Teleskop hervor
und schaut und schaut
bis Wind aufkommt
der die Linse trübt.
12. September 2017 10:06
Christian Lorenz Müller
I
Das Ausrufezeichen hinterm Thalassa
ist grün und heißt Zypresse.
Nach einer weiteren Stunde Fahrt nur
flaggen wir unsere Handütcher
in die Steineichen
und gründen die Republik
der nackten Bäuche.
Este Bürgerpflicht: Das Ausruhen
im Schatten des Sonnensegels.
So sprechen es die Salbeizungen
die sich zu hunderten
parlamentarisch versammeln.
Frei und gleich sind die Wellen
vor dem Wind.
II
Zikaden zerkarsten die Stille.
Wie die Stunden versickern.
Du weißt nicht, wo sie sich sammeln,
ahnst es erst später, im Winter,
wenn Erinnertes
stetig aus dir strömt.
III
Abends ankert ein Inselchen
vor dem Kap, ein Boot
mit einem Leuchtturmmasten.
Schlüpfst du ins Zelt,
zieht es auf Fischfang.
Ein Bullauge, schimmert der Mond.
Am Morgen, noch bevor du
aus dem Schlafsack kriechst,
macht es wieder fest.
Lirica, sagt die Karte,
ist sein Name.
21. August 2017 15:32
Christian Lorenz Müller
Wasser glast in der der Gumpe.
Die Forelle kratzt
zwischen den Steinen
und dem gestürzten Stamm.
Die Sonne im Rücken
steigst du durchs Fenster,
durch sichtige Kühle.
Ein Gedicht muss sich nicht öffnen,
hat vielleicht keinen Griff
und wenn du hineinblickst
schaust du hinaus,
schaust hinaus, wenn die Strömung
die schwarze Gardine vorzieht,
den Schlamm.
11. August 2017 09:36
Christian Lorenz Müller
(Russische Umfrage vom 26.06.2017)
1.
Josef Wissarionowitsch Stalin
Bankräuber, Diktator, Massenmörder
2.
Wladimir Wladimirowitsch Putin
KGB-Agent, Judokämpfer, Autokrat
Alexander Sergejewitsch Puschkin
Dichter, Elegiker, Duellant
3.
Wladimir Ilitsch Lenin
Politischer Theoretiker, Revolutionär, Despot
27. Juni 2017 09:36
Christian Lorenz Müller
Schäumender Bierkrug
nach dem Regen. Ein Prosit
auf den Preisträger.
23. Juni 2017 16:41
Christian Lorenz Müller
Die Verklärung der Glieder
in der tiefen Gumpe,
Allgegenwart Gottes
als aufgeschreckte Forelle:
So taufst du dich mit Kälte,
nach dreimaligem Tauchen
hastest du hinauf auf die Felsen
wo die Sonne wärmt,
wo du dich zitternd
neu geboren weißt.
22. Juni 2017 11:08