Mirko Bonné
Sie wissen, alles Ferne hat Augen.
Stumm folgen ihnen große Wagen, und
da sind immer Hunde in den Schatten, die
hinter Hagebuttenhecken flach im Gras liegen
und nach Sterben und roten Tränen riechen.
Sie sind Muldenvögel, lieben Laubkrater,
sind schlehenbeerenversessen, einer
auf einem Bein ist gleich Baum.
Nachts weite Pampa. Träume, blau.
Keiner wird je vergessen, was war, nur
die dreizehn Alten, die an dem Tag
durch den Zaun brachen, runter
zum Ufer rannten und hinüber
über die Wakenitz kamen,
sehen das Leuchten nicht mehr,
das ihnen da hell vor Augen stand.
Die Nandus sammeln im Maiswald
Beiträge zur Geschichte der Freude,
ein unerklärlich langsames Schreiten.
Goldene Sterne funkeln den Jüngeren
in den Augen, die im Dunkeln in Törpt
an die Maurine laufen zum Saufen
und erschöpft zitternd ausruhen
unter zwei verrosteten Tankwagen.
Sie rupfen sich Gras, das Nachtgras
im Knickschatten, und sie wärmen
einander, beinahe hundert, auch
wenn keiner von ihnen noch ein Bild
für den Nanduweg weiß, namenloses
freies Hinfliegen knapp über dem Laub,
hinter der Stirn nur die Wärme der Liebe
zum Rennen durchs dunkelgrüne Licht.
Für Tom Schulz
*
22. November 2014 23:58
Mirko Bonné
Einer, der allein über ein Feld geht, weiß,
solang in der Luft der Schnee liegen bleibt,
gibt es die Schwarzpappeln dort, er meint,
im Innern genauso zu schneien und dass
es daher auch Innenpappeln gibt, immerzu,
in jedem Moment ab jetzt ist er vorbereitet.
Und genauso weiß auch ich mit einem Mal:
Pappelreihe! Das ist ein Ufer aus Bäumen,
und weiß auf einmal auch: mein Notizbuch!
Das sind Momente wie Jacken im Schrank,
im fremden Mundwinkel ein Funkeln, oder
jemand im Bus, der ihn in eine Geschichte
davonfährt. Während die Eisblumen blühen
an den Fenstern und immer was in Händen
zu halten ist, nimmt das Aufhören ein Ende.
Es schneit, als wartete der Morgen darauf,
nach einer so endlos erscheinenden Nacht
das Verlorengegangene sich wiederzuholen.
Schnee ist das, was ich nicht anhalten kann,
so als wäre jeder hier, auch in Abwesenheit.
*
5. November 2014 18:14
Mirko Bonné
In Schlaglöchern gefunden:
Löffel von einem Pommerntreck.
Ich kann das Vergessen erkunden
in lauter schlammigem Dreck,
und die Scherben aus klarem Glas
sind Kristalle, die ich in Taschen trage.
Betrunkene warfen Flaschen ins Gras,
Birnenbrand erster Nachkriegstage.
Der Schädel am Weg ist nicht so alt.
Da sind von vorsichtigen Tieren Fährten.
Wird es Ende Mai über Nacht wieder kalt,
suchen sich Füchse die wilden Gärten.
*
27. September 2014 11:43
Mirko Bonné
Es ist schwer, wenn die Abschiede beginnen,
denn alles sagt es, Verschwindenmüssen,
Wiederkehr möglich, doch nie mehr so.
Darum dräng ihn zurück, den nächtlichen
Himmel, in den du hineinfliegen wirst. Geh,
zwischen herbstlichen Wohntürmen, und
in Gedanken nimm die Tram zur Bucht.
Red dir ruhig ein, dass es gut war, besser,
du sagst dir, es ist gut. Behalt keinen Kiesel.
Du vergisst bloß, wo er mal lag, auf dem Dach
eines dunklen Hotels, die Nacht, wie sie roch,
und im Regen die Ufer der Elizabeth Street.
Es wird Zeit. Bye bye pride! Es ist gut.
Nimm sie mit – jetzt ist es soweit –,
das große Licht, die Freundlichkeit.
*
5. Juni 2014 10:40
Mirko Bonné
Das ist also Melbourne: am Morgen
getaucht in ein Hellblau, das herab-,
auf die Dächer heruntergefallen scheint.
Kräne, Blätter hochwirbelnde Straßen-
bahnen. Vorbeirauschen kahle Platanen.
Und Gottes Atemwolken ziehen nord-
wärts nach Wagga Wagga.
Die längsten
denkbaren Finger öffnen das Schließ-
fach des Himmels, bis es taghell wird,
so schnell, dass du erschrickst Ecke-
Swanston-und-Franklin. Rede nicht nur,
bloß um dich umzudrehen und wegzu-
gehen. Sprich mit ihr.
Sie ist ein Regen,
die Welt, und liebt die fünf Sinne. Über-
schwemmt dich. Ist zartfühlend, ist schroff
oder Buschfeuer. Sie kommt durch die-
ses Fenster, in deine Augen, mit allem
Licht erwartet sie dich an deinem aller-
ersten Aprilherbstmorgen in Melbourne.
Für Emma Lew
*
26. April 2014 08:57
Mirko Bonné
Die Welt löst sich ab, und die Leute
verschwinden. Was sie umgab, findet statt
genauso ohne sie. Dafür such du dir ein Bild.
Meer schwarz, Rumpf schwarz, aus dem Hellen
stürzen entsetzt in die Sitzreihen geschnallt
Schatten in die Schatten, Wälder, Wellen.
Und du lebst. Da, das getigerte Tier,
blasser Katzenscherenschnitt zwischen
Vorhang und Fenster, durch das Licht fällt.
Der warme Märznachmittag auf den Tischen,
alle Worte auf und davon auf einem Wind
und du dir selber ferner als Malaysia.
Verbinde die Bilder. Verbind sie innig.
Keine Angst umgibt dich wie ein Stein,
nichts schließt dich ein. Nur du dich aus.
Halt fest. Halt fester, heiter. Solche Schwärze,
die gibt es noch nicht mal bei den Fischen.
Sie staunen, stehen still. Und entwischen.
*
20. April 2014 18:12
Mirko Bonné
Die Welt der Kunst & Fantasie is a nightmare, the rest ist das Wahre.
*
19. Januar 2014 17:37
Mirko Bonné
Ich möchte nochmal durchatmen
Ich möchte nochmal durchatmen
und mit großen Schritten
offenen Auges und lächelnd
durch ein Land gehen
wo keiner ein blutiges Handwerk treibt
wo keine Schuldfrage steht
und wer hat angefangen
ich möchte nochmal alles vergessen
und mich selber
und durch ein Land gehen
das mich entwirrt und bewirtet
und meinen Kopf und meine Hände befreit
wo alle Verborgenheit sich in Rauch auflöst
wem nützt es denn wenn ich bleibe
*
Heute ist Helga M. Novak gestorben.
24. Dezember 2013 16:36
Mirko Bonné
Die grüne Spinne,
seilt sich ab vom Baum,
sie scheint mir eine
grüne Beere,
die schwebt.
Sie sendet
aus dem Grün,
schickt Fäden aus
durch das stille
Sommerhaus
und webt.
Grüne Spinne,
steht in einem Traum,
in dieser grünen
heißen Leere,
und lebt.
*
21. Oktober 2013 19:53
Mirko Bonné
Der Schlaf,
das Licht,
die Vögel,
die Bäume,
die Freunde,
die Frauen,
die Kinder,
die Musik,
die Wörter,
die Erinnerungen.
*
1. Oktober 2013 22:18