Mirko Bonné
Er is iets in de zang van een merel
het is voorjaar, je wordt wakker
je ligt te denken in de nacht
het raam staat open – er is iets
waarvan die vogel zingt
en je denkt aan wat je moet opgeven
er is iets in je dat leeg is en het stroomt vol
met het zingen van die merel
Rutger Kopland
20. September 2020 00:39
Mirko Bonné
Es gibt sie
Barmherzigkeit
Im siebenten Bezirk
erbarmst du dich
der Toten
Da fahren
die Busse
der Linie 7
Die nehmen
bloß Tote
Da stehen
in dunklen Höfen
je sieben Pappeln
In jeder Krone
ein Toter
Da klingelt
dein Telefon
täglich sieben Mal
Und dann reden
wir Toten
aus: Różewicz-Lieder
*
24. Juni 2020 12:14
Mirko Bonné
Wir müssen den Blaudisteln folgen.
Falls Blaudisteln ihr richtiger Name ist.
Immer die sonnenverbrannte Mauer lang.
In das Wäldchen hinein dann. Von dort
ist der Blick ins Tal ein Traum. Nein,
kein Traum. Wirklich, ein Tal-
see ohne einen See.
Hier pfiff mal der Wind
meinen Namen. Hier lagen sie,
meine Eltern, als sie noch studierten,
Licht, die Pinien, die Linien. Hier bin ich
bei dir. Hier können wir zusammen
hinuntersehen auf den Sommer,
hören Zikaden, ihre Rhapsodie.
Hier diese Rillen in den Steinen,
meine Mutter erzählte, hier
fuhr ein Klostereselgespann. Hier
schoss mein Vater Fotos von Bussarden,
meinem ausflippenden Bruder, mir als ich schlief.
Alles erzählte sie mir von dem wundersamen Ort.
Wäldchen, Vogelbrunnen, Blick in die Weite.
Und alles fand ich wieder in Ganagobie.
Falls das sein richtiger Name ist.
*
25. Mai 2020 13:57
Mirko Bonné
… darauf kann ich nur – nur? – mit einem Gedicht antworten, das vor einiger Zeit entstand, mir aber unverändert gültig erscheint, trotz der gegenwärtigen Lage, die so vieles in neue Bilder rückt. Es ist eine Variation auf Tadeusz Różewicz:
Lied aus allem
Die Dichtung
zieht sich zurück
tarnt sich versteckt
in ihrem Hinterhalt
aus Widerstand
und Hoffnung
Kein Schuss
kein Schrei
kein Spatz
Der Offenheit
der Dichtung
entgeht nichts
auch du nicht
Lies oder nicht
– sie liest dich
Die Dichtung
hat ausgedient
ist frei ist frei
Die Theorie
behaltet sie
Die Dichtung
ist ein Gedicht
das Lied aus allem
das sich selbst singt
*
9. April 2020 01:50
Mirko Bonné
Er bewegte den Himmel und das Wesen der See,
und aus den Wäldern kam Schroffheit.
Er kannte das Muster aller verwehten Blätter,
die vielfachen kleinen Schatten. Er benötigte
Glanz und Größe auf der langen Hinreise,
und seine Bestrebungen – ein Mondaussetzer,
die kaputtesten Bäume. Der niedrige Horizont
verblüffte wie ein Kind. Widerhallen drang zu ihm
aus der belagerten Stadt. Sie glich einem Regen,
die Welt, und seine Augen liebten Verschwommnes.
Emma Lew
*
31. März 2020 13:05
Mirko Bonné
Im Innenhof blüht in der Krise
um Ansteckung, Atemabstände,
Hustentod, Ausgangssperren
Passierscheine und Liefer-
engpässe rosig, rot bis
lila abends bei Dämmern,
luftig aufgefächert ein Baum,
darin scharen sich wild umeinander
die jungen Stare zusammen und erfinden
bis tief in die Nacht hinein ihre unverstanden
wunderherrlichen Lieder. Es ist Zeit. Zeit ist es.
Zeit, Zeit, singen sie grün funkelnd und achten
weder des Lärms von den Balkonen noch
der Stille. Baum. Blüht. Ist Blütenkleid.
Traum. Zeit. Traum immer wieder.
Für Konstantin Ames
*
20. März 2020 22:57
Mirko Bonné
Einen warmen Klumpen
im Bauch
und auf den Lippen
wie die Haut
die nachts nachwächst
tagsüber bearbeitet
von Schneidezähnen
deine Lippen
Lippen
Remis
Lippen
Sag nichts mehr
Nicht
dass die Blätter
an den Zweigenden
im Zwist mit dem Wind liegen
Es ist ein Spiel
und im März
folgt die Revanche
Revanche
Remis
Revanche
Sag nicht
alles ist gut
Nicht
dass der Hund
die Tollwut hat
wenn er dich anfällt
im Schlaf
Er kennt nur deine Träume
Träume
Remis
Träume
aus: Różewicz-Lieder
*
13. März 2020 18:49
Mirko Bonné
Ein Dunst liegt über Dakota,
und über Nevada liegt Rauch
und Qualm über Minnesota.
Am Ende liege ich auch.
Heute ist Ror Wolf gestorben.
*
17. Februar 2020 22:50
Mirko Bonné
In den Büchern von dir
Unruhe und Gesicht
immer noch die Lese
-zeichen in Streifen
zertrennte Matrizen
der Geschäftsbücher
meiner Großeltern
in Litzmannstadt
dem umbenannten
überrannten Łódź
Beide sind sie tot
so wie du Tadeusz
Und ich lebe Lese
Zahlen und Ziffern
Tara Saldo Skonto
Zahlen 1941 1943
In ihren Ordnern
für Außenstände
Mahnungen uner
-ledigte Transfers
sind abgeheftet
meine Gedichte
Entwürfe datiert
Juni 91 Mai 93
Ihre Hochzeit
1940 in Łódź
ihre Gesichter
die Heiterkeit
meine Unruhe
Haben und Soll
Soll und Haben
das Gespenst
das ich erbte
Gespenst des
Nichts Nichts
*
Aus: Różewicz-Lieder
27. Januar 2020 17:50
Mirko Bonné
Albert Camus und Michel Gallimard
Heute vor 60 Jahren sind die Beiden verunglückt.
*
4. Januar 2020 22:11