Thorsten Krämer
Es war der Sommer der Revolten. Wir waren nur
noch on. Wir lasen, schauten, staunten. Es ging
ein Wind durch jede Meinung. Wir waren
Lesben, trugen Schleier, hielten vor dem Monitor
die Luft an. Es brannte überall. Die Belastbarkeit
der Netze war ein Thema. Wir lernten stündlich
neue Namen. Es fielen Schüsse, Panzer rollten
daumengroß durch unsere Vormittage. Wir kamen
nicht mehr mit. Es wurde spät. Das Material blieb
liegen. Die Plätze waren weiterhin besetzt. Wir
buchstabierten Immersion. Die Dienste wurden
eingestellt. Wir demontierten Herrschende
mit wunden Fingerkuppen.
15. September 2011 12:47
Thorsten Krämer
Es regnet, und dann wird es schlimmer:
Der Regen findet keinen Schluss,
Fast so, als ob er regnen muss.
Es regnet, regnet einfach immer.
(für Ror Wolf)
12. August 2011 13:53
Thorsten Krämer
5. Abschied vom Holodeck
Es wäre auch zu schön gewesen: die Beherrschung der
Materie qua Verneinung. Die unbegrenzten Möglichkeiten
reichen noch bis morgen. Dann Müdigkeit, ein Stromausfall, und
alle Pizzataxis streiken. Es wäre auch
nicht wahr
gewesen: der Traum, den jedes Mängelwesen träumt. Ein Projektil
aus Quecksilber, unterwegs in Richtung Tod. Die Simulation
frisst ihre Kinder. Sie sind eingeloggt als: Besucher.
24. Mai 2011 13:00
Thorsten Krämer
4. Zur gleichen Zeit, in einem
parallelen Universum: Prozessarbeit, finale Vorbereitungen
für den Äonenwechsel. Schütteln, Tanzen. Der Atem hält
die Welt in Schach. Sitzen, Schweigen. Erst letzte
Woche war ich ein Sternennebel.
Das fortgeschrittene
Bewusstsein beendet seine Liaison mit dem Schmerzkörper.
Das Tolle daran: alles wird gut, jetzt. Der Kosmos lächelt zurück.
8. April 2011 17:35
Thorsten Krämer
3. Universal Serial Blood
Was sich dieser Tage alles Mensch nennt: eine Schwundstufe
nur, dies Pflanzenfresser-Leben. Sie messen ihren Ruhepuls
und haben nur den einen. Ein kabellos vernetztes Trauerspiel
mit doppeltem doppeltem Boden.
Wir aber sind
die wahren Datenträger: wir geben, was wir nehmen; in uns
pulsiert die Information. Was uns vereint, ist Hunger.
27. März 2011 15:51
Thorsten Krämer
2. In der roten
Ecke: homo vampirensis, mit erneuerbarem Kraftstoff
vollgetankt. Ein Archetyp der Nachhaltigkeit, die
Biomasse im Frack. Der Körper als Gedächtnis, die
Archäologie der Accessoires.
Ein Blick aus leeren
Augen sagt dir mehr als tausend DVDs: deine Angst
ist nur ein Irrweg, nicht der Motor der Entwicklung.
4. März 2011 22:17
Thorsten Krämer
1. Wo Cyborg war, soll Werwolf werden
Die vitale Programmatik: Mehr Licht, mehr Mond, mehr
Witterung. Die Unbeholfenheit der Modifikationen ist
passé, die Übergänge sind nun fließend. Und überhaupt
ist Blut viel zuverlässiger als Strom. Eine Zeitenwende, weich
wie Fell. Ein Treffen der Jahrhunderte.
Wer jetzt sein Schamhaar
noch rasiert, hat nichts verstanden. In Reinräumen
bleiben zurück die entgeisterten Maschinen.
25. Februar 2011 16:57
Thorsten Krämer
XII.
deine Anlauf nehmende Stimme
deine nicht als Frage formulierte Gegenwart
31. Dezember 2010 19:10
Thorsten Krämer
XI.
deine Romane stiftenden Augenbrauen
die Rezeptur einer spontanen Standfestigkeit
vor dem als Fenster erscheinenden Schlupfloch
dein Schlüsselbein, ein beweglicher Anker
die Schüchternheit eines Igel-Imitators
29. Dezember 2010 13:56
Thorsten Krämer
X.
eine Panik wie Rauchzeichen am Horizont
der Wechsel in eine härtere Währung
das Summen des Makrokosmos
deine die Lücke schließende Antwort
umsonst ein jahrelanges Manöver
die eingeschmuggelte Vitaminkur
deine den Äther durchdringende Temperatur
ein Schritt, der sich selbst erinnert
27. Dezember 2010 17:52