Andreas H. Drescher

Strickleitern in die Löschung hin
auf oft und oft west Bio
grafie aus ihrer Orientierung aus
dem Kissen im Wäsche
korb ein Kratzgarn darüber aus
gedröselt durch die K
noten nicht Schrift sind und nichts
mehr als Schrift alle Amp
utierten stecken auf dem Flaschen
trockner netzen das ge
wisse Horn hinauf als hauseigene

THANATOLOGIE

(Antwort 2 auf Mathias
Jeschkes „Luftstudien“)

1. September 2016 09:07










Thorsten Krämer

Dieses Gedicht hat schon vor mehr als vierzehn
Monaten aufgehört, an seiner Bikini-Figur zu arbeiten.
Genau in dem Moment, in dem es diesen Entschluss

gefasst hat, hatte es seine Bikini-Figur. Es ist eben
die Figur, die man hier sieht; eine andere Figur hat
dieses Gedicht nur noch in deiner Vorstellung.

31. August 2016 10:25










Hendrik Rost

Der Körper zerfällt in Sprache

Aus dem Nichts heraus etwas Vergebliches zu schaffen, das ist ein sonniger Nachmittag am See. Nach dem Schwimmen weit hinaus zu den Barschen und den Florfliegen, die auf der Wasseroberfläche gelandet sind, schlenze ich mit vor Vitalität kribbelnden Extremitäten über den Rasen am Ufer und mache an einer Kinderreckstange Klimmzüge. Da ich mich stark fühle, mache ich gleich ganz viele. In der Netzschaukel daneben stehen zwei ungefähr 8-jährige Jungs und sehen zu. „Der kann das gut“, sagt der eine zum anderen und fügt hinzu: „dabei hat der gar keine Muskeln.“

29. August 2016 11:32










Andreas H. Drescher

DER WALDMINISTER

Der Waldminister
wandert borkenein
er streift und streift
sich jetzt noch tiefer
in sein imperatives
Mandat aus Fraß
wegen und Wieder
wegen Netze aus
Duft-Gesprächen
pilzigen blätternen
darüber wer eben
an ihm nagenagt

(Antwort 1 auf Mathias
Jeschkes „Luftstudien“)

29. August 2016 08:40










Tobias Schoofs

VENUS

liebe verspricht ein werbeplakat
die liebe ist rosa hat krallen wie

kinski als nosferatu verkleidet
ratten überschwemmen die stadt
liebe ist nageldesign das biest

im beautysalon belauert die opfer
saugt ihr blut ihren glauben dass
liebe alles ist was du brauchst

verbittert sehen vor dem plakat
die gesichter der sterblichen aus

24. August 2016 23:38










Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (58)

15. August 2015, ein Sonnabend

Heute nacht, während der schlaflosen Phase, riss ich meinen Kopf los vom verschwitzten Kissen und suchte nach Filmen zum Stichwort „Meg Stuart“. Damaged Goods hat recht viel eingestellt, auch meinen Trailer, aber hängen blieb ich an einer Veranstaltung im Kaai-Teater namens „Soul Food #6 with Meg Stuart“, die zwei Stunden dauerte. Meg am Tisch wie sie ist: dauernd lachend, überlegt, geschickt antwortend, geistesgegenwärtig. Was für eine tolle humorvolle Frau, dachte ich und dachte danach: Die hast du nun auch ziehen lassen. Und hoffte, sie würde an irgendeiner Stelle auf uns anspielen.

Heute geht es los zum Lehrgang.

15. August 2016 10:01










Christine Kappe

Jeder Tag

Jeder Tag wirft uns wie ein Meer an den Strand der Nacht, geht alles so schnell
& dennoch kämpfen wir uns ab
blicke ich des Abends zurück, habe ich nur existiert, bzw. das Existieren war
das Wesentliche, zwischen all dem Gerede, Gerenne und Geröll
springe ich in kaltes Wasser, liege ich in der Sonne
rieche den Regen, überlege, ob ich jemanden anrufe oder lieber nicht
lieber nicht

15. August 2016 08:30










Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (57)

14. August 2015, ein Freitag

Die Zwischenumsetzwohnungs-Vermittlung verlangt, um tätig zu werden, eine Bescheinigung der Genossenschaft, die belegt, dass ich bei ihr Mieter sei. Die Genossenschaft verweigert eine solche Bescheinigung mit dem Hinweis, dass zwischen Haupt- und Untermieter kein rechtsgültiger Mietvertrag vorläge. Der Hauptmieter meldet sich nicht.

Interessante Wiederholungsmuster vor dem Aikido-Sommer-Lehrgang. Morgen geht es los. Vor fünf Jahren, in der Nacht vor dem ersten Lehrgang, regnete es nachts durch das undichte Dach in meine Küche, der ganze Boden war Pfütze. Die Wohnung entgleitet meinen Füßen.

Abends Training: Die Praxis vertreibt die trüben Gedanken, bis einzig die Freude an der Bewegung mich erfüllt.

14. August 2016 17:50










Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (56)

13. August 2015, ein Donnerstag

Rechtsanwalt Dr. H. schreibt, der Gerichtstermin gegen die Zeitung, die mir kündigte und trotz 25 Jahren kontinuierlicher Mitarbeit keine Abfindung geben will, sei leider wenig günstig verlaufen. Umso ungünstiger, als die Richterin Dr. G.-D. hellauf empört gewesen sei, dass ich nicht persönlich erschienen sei und eine persönliche Entschuldigung dafür verlangt habe. Nun war ich in der Tat nicht erschienen, und zwar auf Anraten meines Rechtsanwalts Dr. H., der mir im Vorfeld erklärt hatte, das sei bei solchen Terminen weder üblich noch nötig. Tja, gestand nun Rechtsanwalt Dr. H. auf Nachfrage, das habe er wohl falsch eingeschätzt, wie die Kollegen in Kiel so drauf seien. Zwar könne ich, habe die Richterin Dr. G.-D. mitgeteilt, Widerspruch einlegen, aber der würde sowieso abgewiesen werden. Im Protokoll ist zudem erwähnt, es fehle „jeglicher substantiierter Vortrag, der erforderlich ist, um hier ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien festzustellen“. Und ich erinnere mich momenthaft sehr lebendig an den Vorbereitungs-Termin, als ich Rechtsanwalt Dr. H. das gewesene Arbeitsverhältnis unter Vorlage von Papieren konkret und en detail beschrieb, schriftlich substantiiert sozusagen, mit Substanzen allerdings, die er seinerseits aus- und in den Wind schlug mit dem Hinweis, solche Ausarbeitung sei Sache des Anwalts. Per Güteverhandlung wurde eine Abfindung von 2.500,- EUR vereinbart, davon geht die Hälfte an Rechtsanwalt Dr. H.

Im Aikido-Training zeigt sich Frau S. immer wieder von ihrer besten Seite, und es ist etwas unklar, wem genau sie sich so zeigen möchte.

13. August 2016 08:12










Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (55)

12. August 2015, ein Mittwoch

Per Rundschreiben entgegnet der Genossenschafts-Vorstand, mein Brief sei „feige“ und findet: „Momentan denke ich, dass unser Projekt und die Forderungen und Vorstellungen von Gerald nicht kompatibel sind.“ Ich frage mich, ab welchem Punkt des Rauskegelns ich einen Rechtsbeistand hinzuziehen muss. Seitens der Hausgemeinschaft ist keine Solidarität zu erwarten, das ist klar.

Zum fünften Mal bat ich heute meinen Hauptmieter um schriftliche Ausstellung des vereinbarten Untermietvertrages. Er schweigt. Offenbar im Kalkül, die Zeitnot dränge zur Unterschrift seiner Vertragsversion, die mir nach diesen zehn Jahren keinerlei Mietdauergarantie gewährt.

12. August 2016 13:22