Mathias Jeschke
Der Zimmermannsbock an der Holzwand,
sonnenerhitzt, schwenkt seine Fühler
von fünffacher Körperlänge und ich denke:
Ja, solche Fühler habe ich auch und ich
ertaste euch bei euren Gefühlen und Gedanken.
Und denke zu meinem Leidwesen: Scheiße,
ich bin verantwortlich oder könnte euch helfen,
beihelfen, verändern. Ihr seid die Kurzen,
ich bin der Lange, der Ausufernde, Ungebärdige
und Unfassbare, ja, der Unordentliche sogar,
dessen emotionale Empfindsamkeit euch scannt.
Das versteht keiner, der es nicht von sich selber
kennt, aber ihr spürt etwas davon, ein schieres
Unwohlsein, mal eine leise Sympathie, gleichzeitig
so etwas wie Abscheu oder Überdruss, da es
euch zu nahe kommt. Lasst euch nicht verhärten,
lasst euch ein! Kommt mir nah, aber nicht zu sehr.
Eure kupfernen Gedanken, euer sehnendes
Suchen erfasse ich mit der Angel meines Geistes.
Und das meint nicht den Intellekt, sondern die
emotionale Intelligenz, die in Gedichten denkt.
21. Juli 2015 22:55
Mathias Jeschke
Die schwarzbäuchige Fruchtfliege ertränkt
sich selbst in der Falle aus Obstessig, Zucker
und Spülmittel. Ein Gemisch wie von Shakira
ersonnen. Borke, Ahorn, ihre Stimme, kehlig,
von dunklem Honig benetzt, zu beizenden
Rhythmen, verlockt dazu, jetzt endlich die
längst schon lästigen Hüllen fallen zu lassen,
die strandnahe Freude am wirklichen Leben
zu teilen, große Nähe verheißt sie zu uralten
Wünschen, denen nach Erfüllung, ist das
nicht das, was du und ich miteinander wollen,
komm, lass dir einschenken, lass uns diesen
torfmoorrauchigen Whiskey trinken, aber,
bitte, lass uns nicht sprechen, worüber wir
immer schon besser geschwiegen hätten.
Du und ich, wir Vagabunden in galaktischen
Regionen erlesener Ausdauer, wir haben
lernen müssen zu kämpfen, das hat uns
zu Jedis gemacht. Tanzen und Überleben
sind eins, Verwundungen sind Ordensmale.
19. Juli 2015 22:00
Tobias Schoofs
die jalousien sind runtergelassen
nur einige unvermeidliche ritzen
verraten dass draußen sommer ist
wo alles sich durch licht beweist
und schatten · code der unentziffert
bleibt im leselicht in dem du
träumst von einem gegenglück:
dem gegenglück: dem gegenglück:
17. Juli 2015 13:14
Hendrik Rost
Ging mit Kleist um die Alster,
es ist in der Idylle auch Lülle, sagt er,
ist auch Pulver im Abschied,
dichtet er und zeigt auf den Reiher
im Schilf. Ist nicht falsch,
zu gewahren, jubelt er und
zielt mit dem Finger ins Blaue.
Schau im Schnabel eine Gabe,
da zappelt ein Maulwurf, rudert
mit Grabespfoten in Luft. Sagt er,
weine nicht um den Troglodyten,
der lernt jetzt fliegen, geht mit
der Vogelmutter, wird in der Kolonie
Futter fürs Kleinvieh. Kein Glück
für ihn auf Erden. Sagt er:
Wir wollten nie nur laufen
um den Wannsee, wollten im Grunde
ersaufen, nichts in der Welt,
das uns abhält, in aller Munde.
14. Juli 2015 11:25
Christine Kappe
die Freiheitsstatue steht kurz vor Reims und am Rand von Paris wir Frauen
tratschen & haben einen Überblick dick sind wir
Familienoberhäupter aus allen Nationen
sicherlich
ist die Stadt einer unserer Exzesse wie die Frau mit den blauen Wimpern
ist sie behindert oder total breit?
am Ende des Tages kommt ein alter Mann
legt ihr ein Tuch um die Schultern spricht mit ihr füttert die Tauben die Tauben
wirbeln das Licht auf ohne das es diese Stadt nicht gäbe wir
haben alle verkrüppelte Füße und zerrupfte Körper
der alte Mann führt die Frau über die Straße muss sie stützen
sehe den beiden noch lange nach
& Blütenstaub
ob sich auch jemand um mich kümmert wenn ich verrückt bin?
andererseits will ich erst gar nicht verrückt werden
lieber weinen
(für Sylvia Geist)
12. Juli 2015 21:27
Christian Lorenz Müller
Für zwei Wochen blind.
Ihr ungläubiges Blinzeln
als die Hitze bricht.
10. Juli 2015 12:44
Thorsten Krämer
Statik der Treue: ein Hinübergleiten
in den Hintergrund, unmerkliche Unbeweglichkeit.
Das Tier, im weißen Fell der Blüten, weiß
nicht, was es tut. Es sitzt nur da und sitzt.
Your homecoming will be my homecoming. Ein Vers
von Cummings weht herbei, bewegt Blüten und Fell.
Statik der Treue: ein Balanceakt
im Unsichtbaren, die mikrotonalen Müdigkeiten.
9. Juli 2015 11:05
Mirko Bonné
Im Juni nur Regen,
ein Regen, der Regen,
wie Regen, wieder Regen.
Aber dazwischen du, du,
du und du, und du, du,
du und noch mal du,
mit deiner durchsichtigen,
duldsamen, mitunter dunklen,
durch und durch weichen,
warmen und blassen
nassen Haut.
*
4. Juli 2015 14:48
Hendrik Rost
Was leicht ist, muss nach oben stürzen.
Es gibt nichts Schönes, außer man tötet es.
Es schwingen die Zungen, die Äxte.
Einer oder tausend, wer ist der Nächste?
2. Juli 2015 08:34
Tobias Schoofs
schichtwechsel raus
aus dem wagen wir sind dran
rein ins vergnügen bügel runter
der typ im kabuff hörts quasseln
nicht auf da wummert der sommer
hit es fährt und wird schneller
haare fliegen die brille macht
sorgen da hab ich was warmes
in der hand es ist eine hand man
kommt ins dunkel man knutscht
fühlt sich feucht da wird es
langweiliger und im licht auf
einmal ist es vergangen
schichtwechsel raus
1. Juli 2015 22:26