Mirko Bonné

Glück und Zufall in Köln

Immer unverblümter, diese wilde Lust,
alt zu sein! Vorauseilender Gehorsam
eines dreibeinigen Terriers im Nebel.
Man hamstert die Weisheit mit jedem
an den Gaumen gepressten Schluck.

In Köln hörte ich einen Straßenkehrer,
der Tauben fütterte, alles Gift der Welt
auf die Brut Luftratten herabwünschen.
In Abwehrhaltung, die Fäuste erhoben,
fragte ich ihn nach dem Weg zum Hotel
und stand dann im Flandrischen Viertel
im selben Zimmer wie vor zehn Jahren.

Glück oder Zufall, überlebt zu haben?
Gleichmütig flogen im leeren Innenhof
Tauben um funkelnd an einer Platane
lehnende Schlafzimmerschranktüren,
eh sie in den Spiegeln verschwanden.

Für Julia Trompeter

*

15. April 2015 11:24










Claudia Gabler

Ist wirklich alles durch Beatmung begründet? Und was alles
zwischen der Erde und dir bleibt eigentlich unausgesprochen?

Schau, es ist doch nicht nur lustig
mit der Vollendung.

Nun ist schon wieder eine Sekunde vergangen,
in der du kein Gedicht geschrieben hast.

Schau, wie Personen reden.
Wie die Dinge reden.
—-
Schon glitzert die Künstlichkeit
und raubt dir den einen oder anderen Stern.
—-
Nach dem du greifen wolltest,
wenn die Balkone gestrichen sind.

14. April 2015 12:57










Christian Lorenz Müller

Wenn

die Magnolie auf der Verkehrsinsel
ihre Blüten öffnet, Nester fürs Licht;
wenn die Ampel frühjahrsfarben leuchtet
und niemand Anstalten macht,
die Straße zu überqueren;
wenn die Marmelade
auf einem Frühstücksteller im Café
rot aufblüht und die Fliege
des Kellners zu summen beginnt;
wenn die Sonne die Gleise
so blank und glatt geleuchtet hat,
dass der Zug nicht abfahren kann
und der Schaffner
eine zwitschernde Amsel im Mund hat;
wenn der schwarze Eiszapfen
des alten Romamusikers
zu Klarinettentönen zertropft
und die Zymbalklöppel springen
wie zu früh geschlüpfte Heuschrecken;
wenn der Poet vergisst,
dass Euphorie und Ideen allein
eigentlich noch kein gutes Gedicht machen;
wenn

13. April 2015 14:21










Gerald Koll

„Vorsicht auch beim Telefonieren. Denken Sie daran, dass eine Telefonleitung …

… nie privat ist.“

Lieblingsstelle aus dem Leitfaden für Britische Soldaten in Deutschland 1944 (aus dem Englischen von Klaus Modick. Kiepenheuer & Witsch. Seite 58).

12. April 2015 21:23










Thorsten Krämer

Untitled

Amor aus Messing, ein ästhetischer Fehlgriff
auf dem Tisch. Aus Anlass dieser Zusammenkunft
wurden bereits im Vorfeld zahlreiche Ablenkungsmanöver
konzipiert. Die adventöse Totenruhe. Klamme Finger

finden den Weg in ein anderes Licht, bildschirmhell
blitzen klandestine Identitäten auf. Kaffee und Tee
konspirieren zu einem Konzil der Wachhaltetechniken.
Und das Radio singt: Everything’s gonna be OkCupid.

11. April 2015 17:49










Gerald Koll

2015 Call Me Kitty

9. April 2015 07:59










Tobias Schoofs

WIEDERGEBURT

in einem früheren leben
war ich ein fresko darauf:

der engel erscheint zacharias
und die stifterfamilie stand
in gruppen zusammen
hielt andacht und scherzte

jetzt hab ich weniger glück:
ich bin ein paar zeilen

die keiner kennt ich bin
dem trinken früh verfallen
und lasse mich treiben

1. April 2015 22:58










Gerald Koll

Berlin am Montag









30. März 2015 23:28










Gerald Koll

Blaue Schüssel voller Licht




30. März 2015 08:59










Sylvia Geist

Die Liebe in Zeiten des Aberglaubens

Die blaue Schüssel
voller Licht. Riesige Zerbrechlichkeit.
Welcher Atlas hält das fest?

Auf der Nachtseite der Kugel funkeln
die Waffen des vierzehnten Jahrhunderts.
Verzierte Messer, frühe Gewehre, und in unserem
Museum ruhen Artemis‘ Hunde noch auf dem Leib
einer Armbrust. Gib auf, sagen die Instrumente,
die Narben ihrer Intarsien: Wir wurden geliebt.

Helle Verzweifachung und
Frühling. Vollgesogen mit Bläue
schreit der Whiskey-Jack auf der Stromleitung
gegen den singenden Müllwagen an,
die Plastiktasche, Baumschmuck seit dem Herbst,
geht auf im Wind, eine Blüte so durchsichtig
wie der verschüttete Frühstückskaffee. Wahrer Jihad,
so der Vater eines toten Attentäters auf CTV,
das ist die liebende Sorge für die Familie.

Bete und geh auf
den Markt, einkaufen für ein Lieblingsgericht
in ayurvedischem Vermilion: carrots, pumpkin, pepper
in der Farbe der Sonne überm Morgenverkehr stadteinwärts.
Über Richmond glitzert die Luftbuswolke. Reines biscuit,
blaues china. In den Alpen sammelt man sich
nach der Rettung eines Flugschreibers. Denk daran, überall

lassen sich die Algorithmen deiner Fragen entschlüsseln.
Wisch die Rorschachflecken vom Zettel, lösch die Liste,
bete im Rythmus von Algen. Auf Miso. Und vergiss nicht
die Kokosmilch, den Curry aus Bombay! Jihad ist das
Lieblingsgericht. Die Kassenschlange im Marktparadies.
Küsse auf die goldenen Zehen eines Take-away-Buddhas
beim massenhaften Entern der Hochbahn.

Gib nicht auf. Dieses Seelending ist ein Kugelfisch
reinsten Wassers, voller Gift und Köstlichkeit.
Mach es richtig. Umarme die Schüssel,
full of gifts, mit dem, was du träumst,
in Wirklichkeit. Heavens of china.

Schneide den Kürbis, die Karotten, den Fisch
mit Liebe, poliere den Tafelaufsatz. Geh auf die Knie
um dieses Fußbodens willen. Bitte
für den Seelenfrieden der Piloten.

30. März 2015 02:32