Carolin Callies

vom logieren innerhalb eines fleischfarbenen lappens

vom körper geht ein kleiner ton aus:
du sammelst im mundliegnen becken eine gangbare menge an flüssigkeit,
die wieg ich unter pastellnen, unter pastengerbenden mundtastungen ab

& im gähnen trieft das dann.
damit ließe sich natürlich auch was verschicken:
ich tränkte es, frankierte es & schmeckte es süß ab.

doch alles, was ich wollte, war dich messingbeschlagen
& brunftbewunden,
aber mehr als ein gähnen ist nie draus geworden.

wenns im mund also nach etwas riecht:
nach einem wendwerk, einem kehlen, einer seifigen lösung – – –
die dir gelingenden formen aus speichel sind grotesk.

26. August 2012 14:30










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (34)

Die Stille der gestrigen Teezeremonie macht empfindlich für Geräusche. Gurgeln, Tröpfeln, Platzen von Bläschen. Die Teezeremonie zelebriert Zunge, Bauch, Speichel und Drüse. Die Reizung des Zungengrunds löst den Schluckreflex aus, dessen Vorgänge sich dem Willen entziehen. Sechsundzwanzig Muskelpaare kooperieren, darunter die Ohrtrompete, bestehend aus Spannern und Hebern des Gaumensegels. Zusammen mit dem Schlundschnürer verhindert die Ohrtrompete das Eindringen des Nahrungsbolus in die Luftwege. Bei gleitendem Schluckvorgang beträgt die Passagezeit durch die Speiseröhre zwischen acht und zwanzig Sekunden. Falscher Wille führt nicht selten zu Schluckstörungen.

Bewundernswert bleibt die Formvollendung, mit der die teilnehmenden Japanerinnen es verstehen, den geschuldeten Dank für Tee und Keks in die Andeutung einer Nackenbeugung zu übersetzen. Sie platziert den Servierenden und die Bediente auf gleicher Ebene. Die feine Dosierung der zierlichen Beugung entbindet den Servierenden jeder Reaktion, signalisiert ihm gleichwohl die befriedigende Erfüllung seines Auftrags der Eingießung. Stümperhaft bleibt die Ausführung der Geste durch die Nicht-Angehörigen japanischer Kultur. Übertriebener Dank des Bedienten nötigt den Servierenden zur Erwiderung, untertriebener Dank entlässt ihn mit dem peinlichen Gefühl geleisteten Knechtsdienstes.

25. August 2012 20:20










Hans Thill

Crazy Horses (für Hanns Grössel) 5

zu unserm blonden kam ihr schwarzes Haar.

Mehl der Blondinen. Mischt man sich Haare
in die Mähne und bleibt der Teig zum Schluß nicht
in den Zähnen hängen?

Ils mêlaient leurs crins noirs parmi nos cheveux blonds.

23. August 2012 22:30










Hans Thill

Crazy Horses (für Hanns Grössel) 4

auf ihren Flanken spielten Licht und Schatten,

das Kino hieß Roxy oder Eden.
Ich kletterte und kroch die Wand, das rauhe
Fleisch, entlang, ich erbte
Arbeit, Heredia

Sur leurs flancs le soleil se jouait avec l’ombre ;

21. August 2012 13:37










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (33)

Das Servieren des Tees an die Wartenden erfolge, sagt der namenlose Mönch, aus dem inneren Kreis im Uhrzeigersinn. Daraus folge, dass der Servierende, sobald er einem Wartenden serviert habe, sich nach rechts wende. Die Wendung möge jedoch nicht sogleich und brüsk erfolgen. Ratsam sei es, erst einen Schritt zurück zu tun. Ein Schritt zurück bekunde Respekt. Der Seitwärtsschritt zum nächsten Wartenden möge wiederum kein Ausfallschritt sein, als vollführe der Servierende eine Kür, die es zu bestaunen gelte. Wichtig sei bei alledem, dass Natürlichkeit gewahrt bleibe.

Denn schließlich: ein Akt der Liebe sei es doch, und Stöcke warteten im Köcher.

Gut seien Stöcke, sagt nach zelebriertem Tee der namenlose Mönch mit Monopol zur Wortanwendung, um Gedanken zu vertreiben. Wer beim Meditieren in Gedanken verfiele, bekomme den Stock. Wer schlafe, bekomme den Stock. Wer sehr gut meditiere, bekomme ebenso den Stock, damit er noch besser meditiere. Doch in diesem Sesshin lasse er die Stöcke stecken, und mit dem Lächeln befriedeter Herzlichkeit grüßt der namenlose Mönch zur Nacht und sät einen Traum, in dem die Russin vom Ural einen starken Stock zückt und in unbedingtem Grimm eine bezwingende Attacke reitet.

21. August 2012 09:41










Hans Thill

Crazy Horses (für Hanns Grössel) 3

durch Bach und Wälder, über Fels und Schatten;

als es kaum Schatten gab, es sei
denn wir schliefen schräg in den Tag hinein, den
stolzen Wald. Mit Wanderstiefeln
traten wir den Bach, die Steine, wenn
die Bäume, bärtige Frauen, auf
uns niederschauten

Errait le fier troupeau des Centaures sans nombre ;

17. August 2012 16:04










Sylvia Geist

Gewendetes Gelände

© Kai Geist

16. August 2012 09:32










Andreas H. Drescher

Poetosphäre

(Jogi gewidmet)

Ein Trost
dass dich das er
wartet Der neue Himmel den du ein
gezogen hast Ein Himmel dessen ABC du
nicht mehr nur ein D bist

Landdungssicher schwere
los findest du d
ich wieder Zugleich Helios Straßen
kehrer und entgrenzter Arzt d
er sphärischen Dreieinigkeit

Es war sehr gut sagst
du in deine Rein
form ein Der Tief
gang deiner Höhenluft als Gänse
haut

Konzertreif bist du dir ganz
ohne Arbeit Verstehen und Er
gänzen Leicht verschwindet alles was n
ich
t leicht ist

Höhen er
geben Geselligen Grüns die Gastl
ichkeit der Edelgase Luftigste Leidenschaft der Leere
Lehre aufgehoben Später Sommer Fledermäuse aufgehorcht Ins
piration

15. August 2012 07:32










Hans Thill

Crazy Horses (für Hanns Grössel) 2

Einst schweifte zahllos die Kentaurenschar

die Truppe wird geschoren oben im Parnass,
säuft zuvor die Gärten leer, die wir
für den Regen offen lassen. Wir
horchen an der Matratze unterm Dach,
den Schweif zu sehen, haben wir uns
die Ackererde über beide Ohren gezogen,
einst

Jadis, à travers bois, rocs, torrents et vallons

15. August 2012 07:06










Hans Thill

Crazy Horses (für Hanns Grössel) 1

Hanns Grössel/José Maria de Heredia

Die Kentaurin

Dann kennt man das
und fragt: könnten wirs
gewesen sein? Froh wie Grössel,
größer als eine Hundertschaft, anfangs
Frösche in einem Teich, später viele
Pferde auf dem Plateau, Frauenköpfe
Caresse

La Centauresse

13. August 2012 23:35