Mirko Bonné

Nach Huchel

Es stimmt, auch ich war mal im glücklichen Garten.
Nur bin ich mir nicht sicher, wo das war
und ob mir Verwandte damit ersparten,
die Schrecken zu sehen, vielleicht für ein Jahr.

*

9. Januar 2013 23:03










Björn Kiehne

Abends am Strand

„Das Benzin reicht bis ans Meer“, sagst du.
Hitzewellen branden durch das offene Fenster,
füllen den Innenraum des Peugeot mit Lavendel, Rosmarin.
Lachend schreiben wir unsere Namen neben den des Sommers.
Du rufst: „Ich kann es riechen!“ und, da ist es.
Salzwasser dringt durch das Karstweiß der Wand,
weicht den Kalk auf, löst ihn wie deine Knochen.
Die Schwester stellt Blumen an den Strand, ihre Blüten
leuchtende Quallen über blauen Laken.
Du, streichst das Meer glatt, lächelst still,
weißt, dass es Abend werden will.

4. Januar 2013 11:56










Hans Thill

13, 31, 44

Die alte Zwölf wird kleingeschnitten,
mit kühlem Brot in einer Wurst
gegessen. Die Berge schmelzen
nicht. Eine Hand, durchs
Fenster eingeflogen, faltet
Taschentücher, Jogginghosen.
Es gibt ein Drittes, heisst es Hunger,
heisst es Nebel? Ein Vogel hat
unzählige Körper, schwer für
die Luft. Das Wetter geht mit
lauten Bäumen durch die Stadt
nach dem heurigen Kalender:
Baktun Katun Tun.

13, 31, 44
Le vieux douze sera haché, mangé
avec le pain froid d´aujourdhui
dans une saucisse. Les montagnes
ne fondront pas. Une main
entrera la fenêtre à plier
mouchoirs et pantalons
en coton. Il y a un troisième,
qui s´appelle faim ou
brouillard 44. L´oiseau a
autant de corps que l´air
pourra porter. Le temps
traverse les cités des arbres
sonores selon un calendrier
en papier:
Baktun Katun Tun.

13, 31, 44
Old twelve will be sliced, eaten
in a saussage with cool bread.
Mountains won´t melt.
A hand flies through the window
to fold a handkerchief
and saggy pants.
Tertium datur, mud on your face.
A bird has as many bodies as
the air could wear. The weather
goes through wooden cities
following a calender
without feasts:
Baktun Katun Tun.

3. Januar 2013 00:09










Christine Kappe

Zustellversuch 1

Zustell-Ende in der Heinrich-Heine. Ich geh kurz vor eins noch beim Bäcker rein. Bevor ich mein Brot bestellen kann, kommt eine ältere Frau hereingestürmt. „Ich muss mal kurz stören, ich hab was ganz Blödes gemacht. Ich habe zwei Tüten mit Kleidern in den Altkleidercontainer geworfen und meinen Schlüssel samt Portemonaie hinterher!“ Ihre Panik flirrt in der Luft. Die Bäckerin zwinkert: „Die ist immer so. Auch wenn sie nicht ‚was ganz Blödes‘ gemacht hat.“ Ich gehe mit der Frau hinaus, gebe ihr mein Handy; aber sie kann damit nicht umgehen. Kurz darauf hänge ich in Warteschleifen und fremden Geschichten. Gerade will ich fragen, was ich auf den AB sprechen soll, da sehe ich, wie sie in den Container klettert… Pünktlich Feierabend machen, mit einem Brot in der Tasche, davon träume ich nur.

22. Dezember 2012 14:59










Andreas Louis Seyerlein

6.45 – Im Warenhaus entdecke ich Preise, beispielsweise den Preis von 1.99 für ein Paar Handschuhe, gestrickt. Das fünfte Jahr in Folge ist es gekommen, dass die Preise für Handschuhe fallen. Sie scheinen inzwischen auf Bäumen zu wachsen wie Bananen. Auch Bananen werden immer billiger. An den Handschuhspitzen, dort wo man einen Zeigerfinger hineinstecken kann, entkommen dem Gewebe Fäden. An dieser Stelle, so nehme ich an, waren sie mit ihrem Baum verbunden, hier wurden sie getrennt vom Wind, der Schwerkraft oder von Menschen, die kaum etwas verdienen, nur gerade soviel, dass sie nicht verhungern oder verdursten, weil man sie noch gebrauchen könnte in den nächsten Jahren, geübte, geduldige Frauen und Männer. Vermutlich sind Handschuhbäume ganzjährig blühende Wesen, irgendwo ist immer Winter. Außerdem lassen sich Handschuhe gut aufbewahren, sie verderben nicht so schnell, man muss sie nicht einmal kühlen, nur gefräßige Tiere vertreiben. Das alles, dass Handschuhe von den Bäumen kommen, scheint noch sehr geheim zu sein. Ich habe vor wenigen Minuten versucht mittels der Suchmaschine Google herauszufinden wo Bäume, wie ich sie mir vorstellte, wachsen und wo man sie ihrer Früchte beraubt. –stop

> particles

18. Dezember 2012 16:41










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (50/Ende)

(Aus: Edisons Glühbirne. In: Der geheime Garten vom Nakano Broadway. Von Masayuki Kusumi (Text) und Jiro Taniguchi (Zeichnung). Bei: Carlsen Comics. Hamburg 2012.)

9. Dezember 2012 11:31










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (49)

Zu den aufmunternden Worten des namenlosen Mönchs nickte bescheiden der profane Novize, aus dem dieser Tage, der letzten des Jahres, alle Farbe floss, und dankbar blickte der Gast, der auch heute Morgen immerfort eingeschlafen war.

Das letzte Zazen, das vierundfünfzigste, beginnt in vier Minuten. Heute ist der 31.12.2011. Es ist 12:06.

9. Dezember 2012 11:26










Carolin Callies

das pflügen von haut

der duschvorhang brämig
und brennnässelschmämig der arm, der leckt.

wachwundes als schorf & scham, die versandet & leim,
der krustet und schurft in eimern sich aus,

der rindet sich fäulend ins becken hinab.
der saum, ockereitrig, als wär´s bloß urin.

8. Dezember 2012 14:43










Christine Kappe

Momente / Memos II

Traum, am Nachmittag, auf dem Sofa, nach dem Zähneziehen, dass die Umkleidekabinen der Turnhallen in meiner Kindheit immer unvorstellbar hohe Decken und Fenster hatten, und dass der Junge, mit dem ich dort am liebsten tobte, behauptete, er würde schon seit 5 Jahren in unserer Wohnung wohnen; wir rangelten uns, und das tat natürlich viel mehr weh, als wenn unsere Eltern uns schlugen, aber darüber beschwerten wir uns nicht.

6. Dezember 2012 09:42










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (48)

… könnten Stroh zu Gold spinnen !

2. Dezember 2012 11:49