Andreas Louis Seyerlein
6.45 – In Tageslicht aus nächster Nähe beobachtet, handelt es sich bei jener Maschine, die gestern Abend bei leichtem Schneefall noch auf der 5th Avenue südwärts durch die Luft reiste, um eine Biene, die auch bei Nacht fliegen kann, weil ihre Augen so künstlich sind wie ihr gesamter Flugapparat, ihre Wirbelsäule, ihre Beine, ihre Fühler, alles das ist von äußerst leichtem Metall gewirkt, 528 Schräubchen halten das komplizierte Wesen zusammen, das niemals größer sein wird als ein wirkliches, ein aus organischen Einzelteilen hergestelltes Insekt. Genau genommen ist diese Biene ein sehr kleiner Hubschrauber, wendig, leise, ein Helikopter, der sich im Kostüm einer Biene befindet, ein spähendes Subjekt, eine Drohne, die man vielleicht einmal bewaffnen könnte, um sie einzusetzen für gute oder weniger gute Zwecke. Gestern Abend beobachtete ich nun mit höchstem Interesse wie man der kleinen Maschine kurz vor ihrem Start ein weiteres Gewand überstreifte, das an einen hellen Pelz erinnerte, so dass ich lachen musste, weil ich für einen Moment glaubte, man habe die äußere Beschaffenheit einer Biene mit der Idee eines Eisbären gekreuzt. Kaum aus dem Fenster des Erfinders geflogen, war die weißgefiederte Biene schon im dichten Schneetreiben verschwunden. Nun konnten wir glücklich durch die Augen der Unsichtbaren die Winterwelt betrachten, wir sahen uns selbst in einer Verfolgung und wir begegneten Menschen, riesenhaften Gesichtern, die feucht waren, Regenschirmen, dem Licht der Fußgängerampeln und Dampfwolken, die aus dem Boden pafften, als wären sie der Atem unsichtbarer, unter dem Asphalt verborgener Riesen. stop. Dämmerung. stop Es ist Freitag. – Guten Morgen! – stop
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9. November 2012 21:32
Hans Thill
das uns entlockte Schreien ist ein Wiehern,
oft haben sie nicht mal einen Namen.
So gehen sie in jede Richtung, die ihnen
nahrhaft erscheint. Ich habe das Wasser noch
im einen Ohr, im anderen ein Klavier auf
Hufen. Gieß mir Henna auf mein Haar,
sag mir Befehle, die ich
nicht verstehe
Le cri qu’il nous arrache est un hennissement.
9. November 2012 14:01
Sylvia Geist
Vom Wasser ist es eine neblige Phrase
über Tannen, mit Tannen überschrieben,
ohne Licht für Dickicht,
bis ein Hubschrauber uns einzelne
ans Ufer flößt, mit glatten Rümpfen
kopfloses Holz. Der Umschlagplatz
ist noch ein Geheimnis, nur ein Schluss
das Leck am Rücken
des Hangs. Du kannst das nicht
fühlen als schüttere Stelle in der Kühle,
Fell oder in einer Astgabel den Specht
deines Pulsschlags, schon aus
dem Sinn, der Sund, wie
wenn etwas aufgehört hat gerade
als du es wolltest.
(Mit herzlichen Grüßen aus einer anderen Bucht, lieber Hendrik.)
31. Oktober 2012 11:46
Hans Thill
Macht ihre Liebe selbst uns doch zu Tieren;
Selb, ein Ort bei Hof, wo schon lange
sich kein Tier mehr zeigte. Sie fürchten
sich vielleicht (der Vogel Love, sein scharfer
Schnabel) oder sind heiß von
den Pilzen? Kaufen um Mitternacht dem
Roßtäuscher einen Roten ab, wenn die
Dunkelheit von unten drückt?
C’est que leur amour même aux brutes nous ravale ;
31. Oktober 2012 11:31
Hendrik Rost
Sobald wir aus dem Windschatten der Hotels
auf den Strand treten, ist es zehn Grad kälter.
Die See, absolut spiegelglatt. Eine Postkarte.
Am Wasser liegen Seegras und Blasentang.
Ich scharre mit den Füßen darin herum.
Warum? Ich komme mir vor wie jemand,
der in fremden Schubladen wühlt. Ich finde
einen Bernstein und lasse ihn liegen –
ich suche nach etwas Neuem, das erst noch
versteinern oder verhärten muss. Schließlich
kommen wir an den Hafen. Letzte Boote liegen
im Wasser vor der Winterpause. Eine kindliche
Energie bewahrt sie vor dem Sinken: Naturgesetze.
Wir gehen zurück, Köpfe in Mützen wie Schätze.
30. Oktober 2012 15:11
Mirko Bonné
Du bist alt, sagt das Boot.
Yang Lian
(3/3)
Dann ruh dich aus
von deinem Tagwerk,
eine gestorbene Liebe
in den Netzen zu suchen.
Xu Lian, streck dich aus!
im Boot mit weißem Segel
weit draußen auf dem Meer,
das alle Stimmen schluckt.
Dort ist die Verlassenheit groß,
ein endloser Flugzeugträger,
auf einmal vor deinem Bug,
von den Netzen in der Tiefe
zu den Wolken am Himmel
graue Wand. Und du
schläfst. Bist im Traum
die eine weiße Tür.
*
28. Oktober 2012 20:48
Gerald Koll
Das Wort „Liebe“ zu denken, freut sich der Sasse am letzten Morgen des Sesshin beim fünfzigsten Zazen und fällt in Träume, in denen ihm träumt, es ließe sich träumen ohne Bild und Bedeutung. Um ihn sind Matten, Wände in weiß und Latten aus Holz. Er denkt sich „Lieben“, bis er denkt „Sterben“, und gut und gerne gähnt er dann, und im Traum hört er die namenlosen Wörter eines Mönchs über Menschen.
28. Oktober 2012 10:32
Gerald Koll
Über die Grenzen und Linien von Feinden und Freunden, denn mag man sich irren im Lächeln der Delfine und Affen, so ist irrte man sich auch im Gegenteil. Echt ist es wie das Lächeln des Krokodils, das seine Zähne schlägt ins Gnu, das ausschlägt und zuckt zwecks Erhaltung des Selbst und dem Krokodil dennoch nicht grollt und dem hungrigen Leider neidet den Rang in der Nahrungskette, dort droben im Schlamm.
28. Oktober 2012 10:31
Gerald Koll
„Der Mensch …“, hub an der namenlose Mönch, doch enthoben war der Sasse und dämmerte hinweg über Linien und Grenzen ins Weite und Breite, über den Ring aus Schlamm und Schaum, geschlagen von einem lächelnden Delfin, der im flachen Gewässer einen Schwarm umkreist, bis die Fische über die Ringmauer in die Freiheit springen, in die lachenden Schnäbel einer Bande Delfine, die einen Ring bildeten um den Ring.
28. Oktober 2012 10:30
Hans Thill
da er von uns sich weg der Frau zukehrt.
aus Nebel. Die Frauen hatten genug
von Felsen, vom Gehölz. Sie wandten sich ab,
das war ihr Kuß aus der Ferne. Ich auf
dem Fahrrad hinterher, witterte den Schweiß
der Joggerinnen
Nous délaisse et poursuit la Femme éperdument.
25. Oktober 2012 22:34