Konstantin Ames
Wenn die Blätter Gesicht zeigen
klaffende Gesichte wie Kläffer
darf ich das dann als Zenmoment
begreifen wie ein lange Weiliger den Schleifstein?
Nö.
Wir müssen her hinterm schwatzroten Kaneinchen?
Aio.
Gehörte dir je irgendwas anderes als
diese Kladde mit Berichten
kritzelnder Hälse, übereinstimmend
nur darin: eben nicht zu sein dein Hals?
Näh.
Willst du halbtot gestochener Token vom Ragout kosten?
(Kaneinchen nach altem Ockhamʼschen Rezept)
What a thrill
…
5. November 2020 11:58
Julia Trompeter
Vom Gebrauch eines Halms
Von langer Hand geplant der Mutter Erde dürr
seine Sprossen an der Wand zarte Fäden
duldsam ist kein gutes Wort hier nein
vor das Gesicht zu ziehen von Menschen
eine Krücke den ganz kleinen Käfern
ein Wedel ein Staub ein Krumen
seine Fäden den Spinnen ein Mast
und Trost im Herbst früher Abend
gesponnenes Gold der Marie
ein Sporn im großen Getriebe
das kann und das will das muss nicht
das ist nur ein Wunder ein kleines Gut
2. November 2020 14:41
Björn Kiehne
Als wir schliefen
schlugen Wellen
über unsere Laken,
breitete sich das Watt
weit um uns aus,
suchte Wasser Wege
durch den Sand, Queller
erkundete neues Land.
Als wir schliefen
zogen Wildgänse
mit wildem Schrei
nach Norden,
streiften wir träumend
über die Salzwiesen,
bauten uns dort ein
Haus aus Gischt.
Als wir schliefen
entfernten sich
die letzten Inseln,
schwieg der Wind,
malten wir uns an
den Perlmutthimmel –
flüchtige Wolkenbilder
über das einsame Meer.
1. November 2020 16:28
Hans Thill
Getting and spending, we lay waste our powers;—
Die Kraft der Armen auf der Straße liegt
und kostet nichts.
Der Platz heißt Willi, ein echter Feger.
Was redest du noch von Verschwendung
solange du mit Worten Sprache machst?
Du redest, du redest, das ist alles was du kannst
28. Oktober 2020 17:29
Thorsten Krämer
Ob Strümpfe, Schuhe oder Pantoffeln:
Am Ende gibt alles nach.
Im Vergleich zum Freiheitsdrang meiner großen Zehen
bin ich nur ermüdetes Material.
27. Oktober 2020 11:03
Christian Lorenz Müller
Die Stalaktiten
des Wilden Weins. Das rote
Tropfen der Blätter.
Die Ahornsamen:
Hängende Fledermäuse.
Sie flattern im Wind.
Prähistorische
Pfeilspitzen, liegen massen-
haft die Bucheckern.
Tiefer hinab in
den Herbst. Die alten Bilder
leuchten an der Wand.
27. Oktober 2020 09:48
Andreas H. Drescher
Heute Nacht auf einem Keith Jarrett-Konzert, obwohl er, seiner beiden Schlaganfälle wegen, angeblich nicht mehr auftreten kann. Dies ist jedoch das Beste, das ich je von ihm gehört habe. Er hat Kontakt zu Strawinsky und Cage aufgenommen und Letzterer hat ihm geraten, einen Schlagzeug-Stick in die rechte Hand zu nehmen, die für die Klaviatur nicht mehr zu brauchen ist. So hat er, wie B.B. King, seine Schwäche zu seiner Stärke gemacht und seine Musik ist deutlich perkussiver geworden. Das gilt auch für sein Ensemble, dessen Musiker häufig mit einer Hand die Instrumente der anderen nutzen. Mein Freund Achim sitzt am Schlagzeug, der Ton-Bildhauer Bernd-Wegener spielt weitere Percussion-Instrumente einschließlich alter Chips-Tüten, Matthias Haus Vibraphon und Jörg Kaufmann Saxophon. Meine Aufgabe besteht darin, meinen Kopf mal hierhin, mal dorthin zu strecken und die Musiker durch mein begeistertes Gesicht zu immer neuen Höchstleistungen anzuspornen. Das erinnert mich an die Besuche meiner Ersten Liebe bei den Proben meiner Band „Chinook“ und ihrer Wirkung auf uns. So suche ich mein Spiegelbild auf dem Vorderdeckel des Flügels und sehe aus wie die Erzählerin „Tish“ aus Baldwins „Beale Street Blues“: klein, nicht besonders hübsch, doch mit einem offenbar sehr wirksamen Lächeln. (Das Leitmotiv von „Jarretts Chinook“, unmittelbar nach dem Aufwachen mit schlaf-steifen Fingern auf der Gitarre eingespielt und via Diktier-Gerät aufgenommen, wird von den Algorithmen der sozialen Medien als „sexueller Inhalt“ abgelehnt und gilt selbst dem Goldenen Fisch als „gefährlich“. Das rechne ich mir als Verdienst an.)
23. Oktober 2020 08:40
Mirko Bonné
Wir dürfen unser
Leben
nicht beschreiben, wie wir es
gelebt haben
sondern müssen es
so leben
wie wir es erzählen werden:
Mitleid
Trauer und Empörung.
GUNTRAM VESPER
28. Mai 1941 – 22. Oktober 2020
*
22. Oktober 2020 10:48
Andreas H. Drescher
T-Shirts Talismane Nippes Bauch
läden mit gestohlenem Schmuck Über
volle Strände Düsternis Der Sand b
erstend vor Besuchern Zahltage stick
ige Zahltage Bezahlt wird in Gerüchen
Die Augen schließen so schön es geht
Das lange Gespräch mit diesem Wach
mann Weiße Magie Der Kreis mit
Namen Trockene Kokosblätter 5 da
von angezündet mit einem hohen
Geldschein Alles in die See getragen
Schon in der ersten Böe des Hurricans
So besänftigen wir die Springflut
Bäume vor beschirmten Schulden
Bäume auf notdürftig gezimmerte
Hütten Regen der die Tropfen zieht
Ein ausgedehntes Frühstück mit Rum
Scharf Ein garantierter Sitz Scharf
Garagen werden nur noch für Omni
busse gebaut Die wärmste Empfehlung
ist wieder dies Grün ein Pentagram mit
Rum Gin Bier Pine-Apple-Juice be
gossen Allein zum Wachbleiben
Verwirrend gezeichnete Tapeten
Brücken darauf Bäume Blumen an
die 100 Männer wanken darüber
hin Take your time to pray Daneben
ein eingerissenes Penthouse-Pet über
dem pfeifenden Poker-Automaten
An der Wand die weiß sein sollte
Das Haus jetzt mit Blech gedeckt mit
rostigem Blech Ein Hahn davor in
einem Herrenhemd 3 Frauen mit Babys
unter nur einem Palmenblatt 2 Pferde
stehen frei auf der Ladefläche des Pickups
Erstaunlich ruhig halten sie Balance
Kletterpflanzen Gilbert-Überbleibsel
Doch wo ist er jetzt der Wind Ein Müll
platz voller Licht Hart liegt es über
und über den rohen Gilbert-Trümmern
Ein rotes Sparbuch darin Ein rotes
Sein Besitzer betritt nie mehr die
Nacional Commercial Bank Muscheln
in seinen Shorts in seiner Schublade
Sand und 140 Dollar Schließlich dies
braune Paar grober senkelloser Schuhe
16. Oktober 2020 09:19