Hendrik Rost

Absence of Evidence is not Evidence of Absence

24. März 2020 08:15










Christian Lorenz Müller

DRINGENDE INFORMATION DES SPRACHGESUNDHEITSAMTS!

Das Wichtigste ist es jetzt, Distanz zu halten!
Ein Wort steckt zwingend das andere an,
ohne konsequente Abgrenzung
ist das nicht zu vermeiden!
Großversammlungen von über tausend Wörtern
sind schon seit langem verboten:
Alle Romane, Novellen, Erzählungen!
Einhundert Wörter waren vorletzte Woche noch erlaubt,
also die allermeisten Gedichte,
ein paar kurze Sagen oder Märchen.

Ab sofort wird die Versammlungsfreiheit
auf fünf Wörter eingeschränkt!

Schreiben Sie bis auf Weiteres nur mehr
unvollständige Aphorismen oder halbe Haikus.
Verzichten Sie insbesondere auf Konjunktionen.
Übertriebene Komposita werden sofort
von der Polizei aufgelöst, Adjektivpartys
mit hohen Bußgeldern belegt.

23. März 2020 09:03










Hans Thill

Textikel

DAS QUECKSILBER, so rasch wie edel, insgesamt Metall. Wir aßen von Gabeln. Wir sagten Geben Geben Geben, es war im Krieg im Kreis der Familie, als das Fieber aufkam. Man geht spazieren am Fluß und oft sind die Überbringer von Nachrichten weiblich, haben auch sonst ein lockeres Geld, mal braun mal weiß aus dem Täschchen die grünen Scheine. Mit etwas Kraft ist der Schuh schon gelöst, auch wenn die Bindung ein Kleber ist, der noch mit den Jahren härtet. Den Boden berühren ist eine Kunst, ebenso die Sprünge der Temperatur, es war Oktober, ein Anfang mit herbem schmalem Gold. Das Fracksilber. Das Klappsilber. Das Sprungeisen

22. März 2020 11:41










Andreas H. Drescher

Complicius im Kapp-Putsch

21. März 2020 23:37










Mirko Bonné

Krise

Im Innenhof blüht in der Krise
um Ansteckung, Atemabstände,
Hustentod, Ausgangssperren
Passierscheine und Liefer-
engpässe rosig, rot bis
lila abends bei Dämmern,
luftig aufgefächert ein Baum,
darin scharen sich wild umeinander
die jungen Stare zusammen und erfinden
bis tief in die Nacht hinein ihre unverstanden
wunderherrlichen Lieder. Es ist Zeit. Zeit ist es.
Zeit, Zeit, singen sie grün funkelnd und achten
weder des Lärms von den Balkonen noch
der Stille. Baum. Blüht. Ist Blütenkleid.
Traum. Zeit. Traum immer wieder.

Für Konstantin Ames

*

20. März 2020 22:57










Konstantin Ames

Stadtfrühlingslied (nach Laurenz von Schnüffis „Auf, träge Seel!“)

Versammlungen von mehr als 1 Vogel + 1 Vogel + 1 Vogelgel
sind Vorboten. Mit Preisen übersäte Gedichte sollten sich diesem hier
nicht zu sehr nähern. Anthologien sind aus hygienischen Gründen sofort
aufzulösen. Auf der Salzsäule da steht Salzsäure.

Alle Hosen sind schon Hemd, alle Hemden Hose.

Euer Kaufleuteminister entsichert für Gedichte keine Bazooka, nur
Handfeuerwaffen … wenn Ex-Expressionisten das Wort (auf Skiern)
Kultur hören, entsichern sie ihre Elisabeth Browning. Eure
Geduld mit uns ist erschöpft. Barrikaden aus Klopapier, Atemmasken, Mehl.

Alle Hosen sind schon Hemd, alle Hemden Hose.

20. März 2020 12:06










Hendrik Rost

Posthumaner Berufsverkehr in Hamburg

20. März 2020 06:32










Christian Lorenz Müller

AUSGANGSBESCHRÄNKUNG

Dieses Frühlingsgedicht
streift ganz allein durch die Stadt.
Leere schwankt an den Halteschlaufen
der vorbeifahrenden Busse.
Niemand, der eine Dose, eine Tüte
in die schwarzen Löcher
der Abfalleimer wirft.
Was an Leben übrig geblieben ist
flattert als Taubenschwarm
hinauf auf die Dächer. Das Gedicht
blickt hinauf ins Blau. Nirgends
auch nur ein Kondensstreifen-Kratzer.

Neben einer Bank steht eine Forsythie
in einer gelben Warnweste:
Füße vertreten erlaubt,
längerer Aufenthalt im Freien verboten!
Das Gedicht macht sich auf den Weg
in seine Wohnung.
Wieder leere Busse. Wenn sie anhalten
öffnen die Türen automatisch.
Die warme Frühlingsluft drängt hinein
und wird abtransportiert.
Frierend eilt das Gedicht
zurück nach Hause.

17. März 2020 10:04










Björn Kiehne

Abnehmender Mond

Mehr ist es nicht,
nur Nachrichten aus
der unbewohnten Welt,

die Einsamkeit
der Leuchttürme,
die anstrahlt,
was Gletscher
uns freigeben:

allmähliche Wesen,
Anfänge und Enden,

den abnehmenden Mond
an unseren stillen Stränden.

15. März 2020 15:09










Mirko Bonné

Remis

Einen warmen Klumpen
im Bauch
und auf den Lippen
wie die Haut
die nachts nachwächst
tagsüber bearbeitet
von Schneidezähnen
deine Lippen

Lippen
Remis
Lippen

Sag nichts mehr
Nicht
dass die Blätter
an den Zweigenden
im Zwist mit dem Wind liegen
Es ist ein Spiel
und im März
folgt die Revanche

Revanche
Remis
Revanche

Sag nicht
alles ist gut
Nicht
dass der Hund
die Tollwut hat
wenn er dich anfällt
im Schlaf
Er kennt nur deine Träume

Träume
Remis
Träume

aus: Różewicz-Lieder

*

13. März 2020 18:49