Markus Stegmann
Aprikose du Fond
Hintergrund und Körper
des Bildes mit guter
Menge Azur verrührte
Figur vielfaches Du
Verstreut in den Wind
ins Wasser verrührt
ein Wirbel mehr oder weniger
Täuschung oder Tarnung
im spiegelnden Meer
Zu: Willem de Kooning, Untitled XX, 1976
4. Februar 2017 22:51
Gerald Koll
2. Februar 2016, ein Dienstag
Kaum zurück vom Weißen See, wo ich morgensonnenbeschienen auf der Enten-Veranda Tina oder über die Unsterblichkeit las, bricht beim ersten Biss ins Weltmeisterbrötchen das Inlay aus dem zweiten Backenzahn oben rechts. Lokal bestimmbare Sterblichkeit. Ohne moderne Zahntechnik sähe ich aus wie 75. Die moderne Zahntechnik in Person des Zahnarztes Sch. befindet sich leider zur Zeit im Urlaub, und selbst fliege ich übermorgen nach Lanzarote. Die Helferinnen des Zahnarztes Sch. aber versprechen Hilfe und wollen meine Maul-Katakombe provisorisch verkleben.
2. Februar 2017 12:07
Hans Thill
Spring im Kreis firs Pflanza vunara
Dann, a Lotarn. Dü hesch die Johr
numma borgt, jetza nimm drei uffsmol.
Suscht koi güat, wasdr vor
d’Fiaß fallt. S zehlt a jedr Zahn. Spej
üs dia Schrüwa, trink s’Eel
bis ins Ohr owa, bis in
d’Orascha
Oberelsässische Version (Vallée de Munster) erstellt von Bernhard Thill
2. Februar 2017 11:21
Gerald Koll
1. Februar 2016, ein Montag
Kopfschmerz, Verstopfung in den Nebenhöhlen. Zu viel süßes Popcorn gestern. Vor allem zu unsinniges Wie-fandst-du-den-film-gespräch. Im unerheblichsten Austausch noch melden sich Reflexe auf Über- oder Unterlegenheit. In die Karre mit diesem Mist!
Adalbert Stifters Die Mappe meines Urgroßvaters: immer wieder große Landschaftsmalerei, impressionistisch. Naturwahrnehmung als ausgelagerte Selbstentäußerung. Dort darf man spüren, was sich im gezähmten Umfeld verbietet. Stifter hätte vielleicht ganz gut Shiatsu gebrauchen können.
Eben absolvierte ich mein Glückwunsch-Telefonat mit der Schwester. War ich denn einen Augenblick dabei unbefangen und druckfrei? Nein, und die ganze Zeit war es mir bewusst und konnte doch nicht gegen an. Ich tue meiner Umwelt damit Zwang an, denn sie muss auf meinen Zwang reagieren. Eine Anstrengung. Ich sollte weniger anstrengend sein. Ich übe ja nun schon keinen Beruf aus. Vielleicht, weil alles Unanstrengende schon so entsetzlich anstrengend für mich ist, dass ich mehr Anstrengung für unzumutbar halte.
Welche Dinge wünschte ich, in meinem Tagebuch stehen zu haben? … grausliche Leitschnur, selbstgenährte Würgeschlange. Schnürt den Kopf ab. Kopfschmerz.
1. Februar 2017 09:37
Gerald Koll
31. Januar 2016, ein Sonntag
Soeben, es ist bereits nach Mitternacht, heimgekehrt aus The Revenant von Inarritu mit Leonardo DiCaprio. Ein Naturspektakel, in dem DiCaprio (rührend, wie gern er extrem sein möchte) in einer sehr schönen und sehr tödlichen Bergkulisse ums Überleben kämpft. Fünf Minuten davon haben mehr kreativen Input als der komplette Everest, aber im Nachgespräch mit Aikidoka, die den Film blöd fanden, merkte ich schnell, wie künstlich meine Begeisterung ist. Es blieb bei einem süffisanten Schlagabtausch, lediglich darauf aus, den eigenen Blick durchzuboxen, statt einander die Augen zu öffnen – und all dies mit erbärmlich schlaffem Drang.
Szene Boxring. Boxer fällt erschöpft in die Ecke. Trainer fächelt.
Trainer: Bestens. Besser: kontern!
Boxer: Kann nicht!
Trainer: Nicht kontern können! Du konntest nicht kontern, aber du kannst!
Boxer: Konnte nicht.
Trainer: Du hast nicht kontern können, weil du glaubtest, nicht kontern zu können, obwohl du sehr wohl hättest gekontert haben können, wenn du ans Konternkönnen geglaubt hättest.
Boxer: Weiß nicht.
Trainer: Wenn du kontern kannst: konter! Kannst du nicht kontern, konter trotzdem! Man kann kontern können. Immer. Das weißt du.
Off-Sprecher: Wissen, was wichtig ist. Wissenstransfer mit k.-consulting.
Überhaupt ein gedimmter Sonntag. Glimmende Freude auf Frau S. Das ist schön. Dann wiederum Mad Men, der mir zu schwerfällig war in seinem Werbewelt-Geplänkel, und dessen erste Staffel ich dennoch gesehen haben will (was für Lebenszeit damit draufgeht), ein wenig Stifter, ein wenig Morihei-Biografie, also eigentlich ein entspannter Lektüre- und DVD-Sonntag, aber wiederum auch nicht entspannt genug, weil ich all diese Entspannungen geradezu abarbeite und „geschafft“ haben will, als müsste ich dies und jenes jetzt schnell noch schaffen. Bis wann?
31. Januar 2017 11:28
Björn Kiehne
Die Stadt als Meer, gelbe
Steinwellen, die von der Wüste
aus aufeinander zu rollen, um
im Spalt des Nils zu verschwinden.
Am Dünenrand die Pyramiden, Trittsteine
in der Zeit, umschwärmt von Kameltreibern,
Führern, Händlern – die toten Könige
ernähren noch immer ihre Kinder.
Eine Touristin lamentiert: Schade, dass
alles so kaputt ist, während sie nervös
versucht, einen räudigen Hund weg-
zustoßen, der an ihrer Tasche schnuppert.
Bist du das Cheops? Ein Tier heut, so hungrig
wie einst deine Sklaven, verdammt dazu,
deine einstige Größe zu bestaunen, ohne
etwas im Magen zu haben?
Und während in Kairo, ein Muezzin die
Tauben aufscheucht, beobachtet Cheops
wie ein Tourist versucht, mit dem falschen
Bein zuerst aufs Kamel zu kommen.
Er jault, blickt auf die Stadt, den Fluß,
die Wüste, lässt den Wind durch sein Fell
gehen, und fragt sich: Wer ist hier dümmer,
die Touristen oder die Kamele?
El Giza
30. Januar 2017 20:54
Björn Kiehne
Der Wind kommt aus der Wüste, trägt,
mit dem Staub, auch den Falken ans Meer.
Der teilt mit gerader Linie den Himmel,
sieht unter sich das Relief der Felsen,
die Schrift des Windes auf den Ebenen.
Nach Stunden erscheint der schmale
Streifen Grün, Palmen, Jasminbüsche,
die mühsam am Leben erhalten werden,
dahinter das Rote Meer, das leuchtet, als
wetteifere es mit dem wolkenlosen Himmel.
Jetzt steht der Falke still in der Luft,
ein Zeichen, scheinbar bewegungslos,
blickt er in das blinde Auge des Pools,
betrachtet die Menschen auf den Liegen,
die ihr Fleisch auf beiden Seiten garen.
Ein Kind entdeckt den Vogel, zeigt mit dem
Finger auf ihn, breitet seine Arme aus, als
wolle es fliegen, läuft über das grüne Gras
der Hotelanlage: Ob es weiß, dass er es ist,
der jeden Tag den Morgen aus der Wüste bringt?
Marsa Alam
30. Januar 2017 20:53
Björn Kiehne
Morgenlicht liegt auf den Feldern,
Schatten räkeln sich unter den
Palmen wie schwarze Katzen.
Ramses schläft im Staub,
träumt entlang des Nils,
folgt der Tonspur des Wassers,
dahin, wo die Fluten ihm Zeilen
in den Sandstein schreiben, Rätsel
für ihn, Rätsel für den König.
Alles flüstert ihm zu: das Morgenlicht,
die Schatten, alles fragt ihn nach der
Lösung; denk nach König, denk nach.
Memphis
30. Januar 2017 20:51
Gerald Koll
30. Januar 2016, ein Sonnabend
„Betrachte diese Welt weder mit Angst noch mit Abscheu. Stelle dich mutig allem, was die Götter anbieten.“ (Ueshiba Morihei)
Gestern Abend trug sensei mir an, das Freitags-Vormittags-Training zu übernehmen. Ich habe zugesagt. Als Aikido-Lehrer würde die Japan-Reise ganz neu Sinn machen. Ich könnte mich mit mehr Fug ins Aikido stürzen.
„Prangen“ – kein besonders schönes Wort, aber doch schützenswert, weil ausgestorben. Kinder lernen viele Wörter, die sie später nie mehr verwenden.
30. Januar 2017 13:26